Mut haben, sich für kommende Änderungen vorzubereiten
Richard David Precht über die Konsequenzen der Digitalisierung in Bezug auf Arbeitsmarkt und Bildung.
Anfang Juni in Köln auf der phil.cologne (Internationales Festival für Philosophie) hat Precht eine halbe Stunde über das Ende unseres jetzigen Gesellschaftssystems und die vermutlich bald kommende neue Epoche eine spannende Rede gehalten.
Es ergeben sich in der Welt unerwartete politische und soziale Veränderungen. Niemand oder zumindest die meisten von uns konnten sich kaum vorstellen, dass Trump an die Macht kommt oder aber auch die Flüchtlingswelle so drastisch weiter steigt, sodass die Thematik Nationalismus wieder aktuell wird. Parallel dazu befinden wir uns in einer hoch digitalisierten Welt, in welcher sich der Bereich Technik rasant weiter entwickelt. Die Folge daraus: Die Epoche zu Ende zu führen, denkt Herr Precht.
Was heißt das?
Er spricht über die vierte große industrielle Revolution in unserer heutigen Zeit, die vergleichbar mit der ersten industrieller Revolution ist, nämlich Kutsche vs. Auto, heute Smartphone vs. …, also radikale Änderungen.
Nach Precht leben wir heute in einer Gesellschaft, wo man gezwungen ist nach „Um-zu Fragen“ zu denken: „Ich investiere etwas und möchte das daraus mehr raus springt, als ich investiere.“ Positiv daran, die Lebensqualität von heute ist nicht mehr mit der von früher vergleichbar. Wir bekommen noch für die gegebene Leistung einen bestimmten Lohn. Wir können noch, je nach Ausbildung, die für uns passenden Berufe finden. „Diese Art von Gesellschaft geht vermutlich zu Ende“.
Precht nennt dafür folgende Gründe:
- Änderung des Arbeitsmarkts durch Digitalisierung:
Viele Jobs werden bald wegfallen und durch Maschinen ersetzt. Betroffen sein werden vielfältige Dienstleistungs-Jobs. Reisebüros, Ämter, Verwaltungen u.a. wird es in der bisherigen Form nicht mehr geben.
Im Verkehrsbereich wird es den Kult um`s Auto nicht mehr geben. „Heute, Autos werden immer größer. Dinosaurier waren nie so groß wie in der Steinzeit, bevor sie aussterben“. Diese Autos sterben aber und es kommen selbstfahrende Autos, die nur 30 km schnell sind und kaum Unfälle verursachen werden. Ganz größer Vorteil; Deutschland wird grün.
Wenn das alles so einfach und schön erscheint, wieso redet überhaupt Richard David Precht darüber? Der Sinn des Vortrages war, für die neue Zeit vorbereitet zu sein. Dadurch werden wir die negativen Seiten der Digitalisierung (Fremdenangst, Arbeitslosigkeit) überwinden.
Wie können wir uns darauf vorbereiten?
Für ein gutes Leben brauchen wir genug Geld in der Tasche!
Als erstes soll das Steuersystem geändert werden, weil die Hälfte der Arbeit nicht mehr existieren wird. Precht schlägt eine sinnvolle Besteuerung vor, nämlich 1% Steuer für alles. Die Folge daraus wäre das die gesamte Zockerei an der Börse ihren Sinn verlieren würde. Durch Steuereinnahmen wird dann Arbeitslosengeld und Grundeinkommen finanziert. Nicht nur Precht ist für das Grundeinkommen, sondern auch der Siemens-Chef, das Facebook Team, die Telekom und Silicon Valley. Wieso? Weil unsere Daten nichts mehr wert sind, wenn wir den Job verlieren.
- Änderung des Bildungssystems durch Intrinsischer Motivation:
Laut Precht hat sich seit 70 Jahren das Schulsystem in Deutschland nicht verändert. „Lehrer“ ist aber ein künstlerischer Beruf, der mit Dramaturgie und Persönlichkeit zu tun hat, anstatt mit veralteten, langweiligen fachdidaktischen Methoden, die heute noch verwendet werden. Diese Methoden sollen weg, meint Precht.
In den Schulen könnten nach der sechsten Schulklasse, laut Precht, für die SchülerInnen Projekte statt Fächer angeboten werden. Das Lerntempo ist zu ändern, es soll egal sein wieviel Zeit man für bestimmte Lernprojekte braucht. Jeder kann quasi individuell lernen oder aber auch durch Bekanntschaften und Freundschaften immer wieder neue Ideen entwickeln und neue Arbeitsatmosphären schaffen.
Zur Person
Richard David Precht (52), wurde in Solingen geboren und lebt heute in Düsseldorf. Er ist einer der bekanntesten Philosophen Deutschlands. Precht ist Honorarprofessor für Philosophie an der Leuphana Universität Lüneburg und Honorarprofessor für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. Sein Bestseller „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“- war auf dem 1. Platz der Spiegel-Bestsellerliste ab 2008 bis 2012. Sein Bücher über philosophische oder gesellschaftspolitische Themen wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt.
07-2017 Inga Khapava