Das Grundeinkommen
Analyse und Auseinandersetzung (Teil 1)
Mit bedingungslosem Grundeinkommen ist folgendes gemeint:
Das Schweizer Volksinitiative hat folgende Zielsetzungen für ein bedingungsloses Grundeinkommen entworfen:
1. Der Bund sorgt für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
2. Das Grundeinkommen soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen.
3. Das Gesetz regelt insbesondere die Finanzierung und die Höhe des Grundeinkommens. (grundeinkommen.ch)
Bedingungslos bedeutet hier, dass jedes Individuum unabhängig von Alter, Berufsgruppe oder Leistung dazu berechtigt ist, das bGE von der Gesellschaft zu erhalten. Die Höhe des bGE muss existenzsichernd sein. Deswegen betonen viele Befürworter, dass bGE eine Höhe haben sollte, die ein Kulturminimum (also ausreichend Budget für individuelle Freizeitaktivitäten wie Theaterbesuche oder die Mitgliedschaft in einem Sportverein usw.) und nicht nur ein Existenzminimum darstellt. Wichtig sei, dass jeder Mensch am gesellschftlichen Leben aktiv teilnehmen kann (Liebermann*, 2012).
Warum soll man zum bGE Ja sagen
Jeder Bürger und jede Bürgerin ohne jegliche Bedingungen, ohne Leistungskriterien, hat die Garantie am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Berufliches Scheitern wäre kein Ausschlusskriterium mehr. Sozialhilfeempfänger selbst fühlen sich nutzlos, obwohl sie notwendige und anspruchsvolle Familienarbeit oder ehrenamtliche Arbeit ausüben und würden auch von anderen als unnötige Belastung angesehen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde dabei helfen, sich selbst und auch wieder als Menschen mit Wert an sich anzuerkennen (Kunz*, 2015).
Mit einem bGE würde laut vielen Befürwortern die tatsächliche Freiheit geschaffen einen solchen Lebensstil zu wählen, den die Menschen wirklich für sich wollen. An ganz bestimmte Bedingungen geknüpfte Leistungen wie Abhängigkeiten von Erwerbseinkommen oder von Unterhaltungszahlungen des Lebenspartners würden abgeschafft. Man konnte sein Leben frei gestalten, mit ihm anfangen was man will, und das auf eigene Verantwortung. „Das Leben wird durch Eigenengagement, Eigenhandeln, Eigenleisten als sinnvoll und wertvoll erlebt- zumal in Kooperation mit anderen, in gemeinschaftlicher Tätigkeit und Wertschätzung. Hierzu beizutragen, das kann die Einführung eines garantierten Einkommens nach Werner leisten. So wird ein wesentlicher Beitrag zur Gestaltung individueller und gesellschaftlicher Freiheit im Sinne der eigenen Entscheidungen und Eigentätigkeit erbracht. Grundeinkommen gesichertes freiwilliges Eigenhandeln macht frei.“ (Lenk*, 2012)
Ebenfalls ein bedeutender Aspekt von individueller Freiheit durch ein bedingungsloses Grundeinkommen sehen die Experten bei der Ungebundenheit für Unternehmer, vor allem für Gründer. Unternehmensgründern gäbe es die Möglichkeit, sich von vornherein auf die Entwicklung des Produkts und des Unternehmens zu konzentrieren, ohne so schnell wie möglich ein Auskommen für sich selbst erwirtschaften zu müssen. Ein bGE würde Energie und Kreativität freisetzen und somit ein „originäres Unternehmertum“ ermöglichen.
Es gibt noch weitere gesellschaftliche und wirtschaftliche Vorteile
Wenn die Menschen nicht mehr abhängig von Erwerbseinkommen sind, wäre eine hohe Arbeitslosenquote kein Problem mehr. Der Freiraum erleichtert Menschen eigene Talente und Fähigkeiten im Sinne des sozialen, ökologischen und ökonomischen Fortschritts einzusetzen. Laut Prof. Liebermann könne man sich somit positive Auswirkungen auf die Effizienz und höhere Qualität im gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungsprozess erhoffen. „Da ein bGE die Voraussetzungen für Leistungserstellung verbesserte, da der einzelne mehr Freiräume hätte, sich das zu seinen Fähigkeiten passende Wirkungsfeld zu suchen, wären erhebliche Auswirkungen auf Wertschöpfungsprozesse - effizientere Fertigung, weniger Ausschuss - zu erwarten“. (Liebermann*, 2015).
Auch Götz Werner trifft eine ähnliche Aussage: „Der Mensch sucht sinnvolle Betätigung, und er ist unzufrieden mit seiner Arbeit, wenn sie für ihn nicht sinnvoll ist oder von anderen nicht als sinnvoll anerkannt wird“. (Werner*, 2015)
Es ist anzunehmen, dass durch die bGE Einführung als Steuer- und Finanzierungsmodell, der Umfang an bestehender Bürokratie abgebaut werden kann.
Warum soll man zum bGE Nein sagen
1. Das bGE ist nicht finanzierbar. Zum einen wird argumentiert, dass ein existenzsicherndes Grundeinkommen so hohe Steuererhöhung für Erwerbstätige mit sich führen würde, dass es unmöglich wäre die bGe Finanzierung zur erreichen.
2. Viele Bürger würden vielleicht nicht mehr arbeiten wollen, weil keine Plicht dazu bestehe. Die Motivation selbst Leistung zu erbringen wäre deutlich geringer oder gar nicht mehr vorhanden. Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsleistung würde durch die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens im dem Maße gesenkt werden, dass nicht mehr genügend Güter produziert würden und damit auch nicht mehr genügend monetäre Wertschöpfung generiert werde, aus dem sich das bGE schließlich finanzieren müsse. (Enste* 2008)
3. Es besteht die Gefahr der massiven Teuerung der Konsumgüter und Leistungen. Wenn Menschen nicht mehr arbeiten müssten, dann würde kaum jemand noch Teilzeit-Erwerbstätigkeiten oder sogenannter „Drecksarbeit“ nachgehen wollen.
4. Erwerbsarbeit wird von Gegnern des Grundeinkommens auch als Orientierung gesehen, die mittels eines bGE nicht einfach aufgegeben werden dürfte. Zu viel Freiheit kann hilflos und orientierungslos machen. Das ist bekannt und öffnet radikalen Gruppierungen Möglichkeiten. Sie versprechen ihren Mitgliedern mit einem besonders strengen Lebenskorsett oft den Halt, den sie anderswo nicht finden. Arbeit ist ein solcher Halt.“ (Borchard*, 2016)
5. Angst vor Zuwanderung
Das bGE konnte Anreizkraft auf potenzielle Zuwandere haben. Dies konnte nicht nur für Konflikte und soziale Unruhen in Deutschland sorgen, sondern konnte auch das Ende der Finanzierung des bGE sein.
6. Abschaffung des Sozialstaats
Ob ein Abbau der Sozialleistungen überhaupt wünschenswert sei, fragt bspw.
Prof. Butterwege. „Beim Allgemeinen Grundeinkommen handelt es sich um eine alternative Leistungen, die mit der Konstruktionslogik des bestehenden, früher als Jahrhundertwerk gefeierten und in vielen Teilen der Welt nachgeahmten Wohlfahrtstaates bricht sowie seine ganze Architektur bzw. Struktur zerstören würde.“ (Butterwege*, 2013)
Schlusswort
Viele bGE- Befürworter gehen davon aus, dass jeder Mensch selbst entscheiden muss, ob er überhaupt arbeitet oder nicht. Der Mensch soll existenziell abgesichert werden, und nicht erst die Erwerbsarbeit das Recht auf eine stabile Existenzgrundlage geben. Von daher wird die Erwerbsarbeit nicht als zentrale Lebenstätigkeit angesehen.
Für viele bGE-Gegner ist die Grundmotivation für menschliche Arbeit die finanzielle Entlohnung. Erwerbsarbeit ist für die Gegner eine Leistung und somit entscheidender Identitätsfilter. Der Mensch muss sich das Recht auf Existenzsicherung erarbeiten.
Inga Khapava April 2019
* Prof Dr. Sascha Liebermann - Professor für Soziologie
* Hans Lenk - Prof. an der Universität Karlsruhe
* Alexandra Borchardt - leitende Redakteurin bei der "Süddeutsche Zeitung",
ausgebildete Politikwissenschaftlerin
* Dominik H. Enste - Professor für Wirtschaftsethik an der Uni TH Köln
* Prof. Dr. v. Kunz - Schweizer Wirtschaftsrechtler und ehemalige Politiker
* Prof. Christoph Butterwegge - Politikwissenschaftler und Armutsforscher, bis 2016
Professor an der Universität Köln
* Götz Werner - Gründer und Aufsichtsrat des Unternehmens dm-drogerie markt
und einer der bekanntesten Verfechter des Grundeinkommens