Bei der Bundeswehr konsequent aufräumen
Nach dem Auffliegen aktueller rechtsextremer Umtriebe bei der Bundeswehr entfachen die ersten Politiker eine Diskussion über die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Unabhängig davon, ob eine Einführung allgemeiner Wehr- und Sozialdienstpflicht, dann bitteschön aber auch für Männer und Frauen, aus gesellschaftspolitischen Gründen Sinn machen könnte, ist diese Diskussion im Zusammenhang mit Rechtsextremismus beim „Bund“ völlig fehl am Platze. Die Problematik, sagen wir mal vorsichtig, der etwas speziellen Sichtweise auf Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Bürgerrechte über Wehrmachtsphantasien bis hin zu neonazistischer Gesinnung sind innerhalb der Bundeswehr, hinweg über alle Dienstgrade, keine sporadisch auftretende Einzelerscheinung, sondern häufiger anzutreffen als öffentlich wahrzunehmen und so alt wie die Bundeswehr selbst. Die Streitkräfte mit den Strukturen aus Befehl und Gehorsam sind ein Mikrokosmos mit eigenen Gesetzmäßigkeiten, der von Außenstehenden nur schwer zu durchschauen und zu kontrollieren ist. Soldatinnen und Soldaten trauen sich nur selten Missstände in ihren Einheiten anzuprangern, da sie in der Regel verunglimpft werden und als „Nestbeschmutzer“ einen schweren Stand haben. Deshalb dürften Statistiken, die von einem Rückgang rechtsextremer Vorfälle berichten, wenig Aussagekraft über die tatsächlichen Zustände haben. Die meisten Vorfälle landen weder beim Wehrbeauftragten, noch werden sie sonst wie öffentlich. Und die, welche aufgedeckt werden, erfahren nicht immer die notwendige unnachgiebige Reaktion. Das nun alle Kasernen nach rechtsextremen Relikten durchsucht werden, ist zwar für die Symbolik wichtig, wird aber nicht viel an den Verhaltensweisen einer Reihe von Soldaten ändern, die eine rechtsextreme Weltanschauung in ihren Köpfen manifestiert haben und diese nicht immer durch Zurschaustellung von Nazi-Symbolen kommunizieren. Aus eigener Wehrpflicht-Erfahrung erlaube ich mir zu behaupten, dass mir zu keiner anderen Zeit im Leben so viele „braun schillernde“ Personen begegnet sind, wie in den Kasernen. Um die Reputation der Bundeswehr an sich nicht zu schädigen, denn die überwiegende Mehrheit der Bundeswehr-Soldaten bekennt sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung, erscheint es nunmehr nach über siebzig Jahren seit Beendigung des Naziterrors wieder an der Zeit im Militärapparat konsequent aufzuräumen und braunes Gedankengut auszumerzen. Es ist nun Aufgabe von Verteidigungsministerium und innerer Führung das Demokratieverständnis bei der gesamten Truppe permanent zu schärfen und unmissverständlich klarzumachen, dass die Bundeswehr Teil unserer Gesellschaft ist und keine Nachfolgeorganisation der Wehrmacht. Vielleicht sollten die Verblendeten die Bücher „Der SS-Staat von Eugen Kogon“, „Die Vernichtung der europäischen Juden von Raul Hilberg“ und „Wir weinten tränenlos von Gideon Greif“ als Pflichtlektüre verordnet bekommen. TH 05-2017