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Du bist, was Du isst

Diana und Markus Erhardt und ihr Team betreiben das Traditionsfachgeschäft für Wild und Geflügel in der Kölner Südstadt (Severinstraße 11) und einen Hofladen in Köln-Widdersdorf (Freimersdorfer Weg, am Ortseingang). Weitere Infos zu Unternehmensphilosophie, Angebotspalette und Ernährungstipps finden Sie unter www.wild-geflügel.de

Hier das ausführliche Gespräch mit Frau Diana Erhardt über bewusstes Einkaufen und gesunde Ernährung.

dpr:
Liebe Frau Erhardt. Ich muss voranschicken, das ich in diesem Hofladen selber Kunde bin und mir seinerzeit bereits positiv aufgefallen war, wenn ich hier etwas einkaufen möchte, z.B. Freilandeier, und diese vergriffen sind, mir dann ehrlicherweise gesagt wurde, es sind keine F-eier mehr da, wir verkaufen aber auch Eier aus Bodenhaltung. Das war die Initialzündung um zu sagen, es kommt für mich authentisch rüber, die könnten einem  auch einen Bären aufbinden und die Bodenhaltungseier als Freilandeier verkaufen. So, deshalb die Frage: Wie ernst nehmen Sie ihr Geschäft oder den Ansatz, dem Kunden möglichst transparent und offen Produkte zu offerieren und zu sagen, dass was ich selber nachvollziehen kann, kann ich nach außen kommunizieren. Vielleicht gibt es aber auch das eine oder andere Thema, was ich selbst nicht nachvollziehen kann. Lasse ich die Produkte dann lieber weg oder sage ich dem Kunden, ich weiß nicht, wo das eine oder andere herkommt oder was mit den Lebensmitteln los ist.

Frau Erhardt:
Für ein kleines Lebensmittelmittelgeschäft wie das unsere und den Erfolg, den wir langfristig haben wollen, ist Transparenz unabdingbar. Irgendwo bin ich ja auch Konsument und möchte natürlich da auch entsprechend ernst genommen werden. Weil wir ja auch zwei Kinder haben, ist Wertigkeit auch ganz, ganz wichtig, ihnen diese zu vermitteln. Denn wenn ich mal Enkelchen habe, es auch diesen auf diesem Planeten ganz gut gehen soll. Es sind natürlich eigene Ideale, die man nicht verratzt und verkauft wissen will, zum einen, dass man selbst Konsument irgendwo ist, aber sicherlich spielt auch die Langfristigkeit des Erfolges eine Rolle. Ich glaube schon, dass man kurzfristig vielleicht binnen eines halben Jahres Geschichten erzählen kann. Langfristig funktioniert das meines Erachtens nach nicht. Das würde auch gegen unsere Erfolgsphilosophie, das würde dagegensprechen.

dpr:
Dies kommt so rüber. Es ist aber das Paradoxe, was in Deutschland zu sehen ist. Es müsste normalerweise so sein, das alle produzierten und verkauften Lebensmittel für den Menschen unbedenklich sowie für die Gesundheit zuträglich sind und nicht ein Biosiegel erfunden werden muss, um herauszufinden, welche Lebensmittel vermeintlich noch unbedenklich zu genießen sind. Besser wäre es  Produkte zu kennzeichnen, die unter Umständen schädlich sein könnten. Alle reden immer vom Wohl der Kinder und Enkel, aber es ist erst mal Zeit anzufangen unser Bewusstsein zu verändern, weil wir sonst dem  eigenen Henker applaudieren obwohl wir nicht gehenkt werden wollen. Es wundert, wie unbedarft die Menschen teilweise mit etwas sehr Wichtigsten umgehen, sprich mit eigenen Ernährung; denn du bist, was du isst. Der Trend, ist augenblicklich vegetarisch und vegan.  Das ist aus allen Zeitschriften, Funk und Fernsehen zu vernehmen. Tierschutzorganisationen machen sich diesbezüglich ebenfalls lautstark bemerkbar. Ist also der, welcher Fleisch verzehrt ein schlechter Mensch? Oder sollte Fleischverzehr einfach nur anders gestaltet sein. Brauche ich wirklich jeden Tag eine Fleischportion, wie bewusst gehe ich mit dem Thema Fleischeinkauf um, kommt das was ich als Produkt kaufe aus einer tiergerechten Haltung und natürlich ganz wichtig, nicht zuletzt auch für die Qualität des Produktes, aus einer schonenden Schlachtung. Wird hier noch selbst geschlachtet? Bei Wild kann man ja relativ gut nachvollziehen was da Sache ist. Aber was sagen Sie, wenn jemand zu Ihnen kommt und sagt: Ich will mir das mal angucken. Wie gut geht es den Tieren hier. Was passiert beim Schlachtprozess?

Frau Erhardt:
Zum einen, weil die Tiere ja hier auf dem Hof leben, sage ich persönlich, ich esse Fleisch, aber das ist ja nicht für jeden das Dogma. Für mich entscheidend ist, wie hat das Tier vorher gelebt. Und wenn ich sage, die Gans darf hier 7 bis 8 Monate leben, in Freiheit, als Freilandgans, ist das schon ein relativ gutes Ergebnis. Wenn Sie dagegen eine Hafermastgans aus Polen vergleichen, die 3 Monate leben darf, die ein Metallrohr in den Hals bekommt damit sie in 3 Monaten ihr Schlachtgewicht erreicht, finde ich, sind das hier sehr gute Bedingungen. Was  die Schlachtung angeht: Ich hatte eine Kundin, deren Mann Koch ist, die die Gänseleber bemängelte, was die Farbe angeht.  Und dann habe ich gesagt, nächste Woche beim Schlachten  gucken wir uns mal vier, fünf verschiedene Lebern an, die in der Farbe absolut unterschiedlich sein können. Die Kundin ist tatsächlich gekommen, ich habe sie vorher darauf hingewiesen, dass sie werden tote Tiere sehen wird. Damit muss man umgehen können. Der Veterinär, der Tierarzt sieht das nicht gerne, weil Sie, wenn sie erkältet sind, können sie Krankheitserreger hereinbringen und, und, und. Sie unterlaufen die Hygieneschleuse im Grunde nach, aber die Dame ist in kleiner Entfernung dort stehengeblieben und hat sich das angeschaut. Sicherlich geht das hier auf dem Hof. Auf der anderen Seite , wie ich eingangs schon einmal erwähnte, ist es sogar für meine Mitarbeiter schwierig, tote Tiere aus dem Schlachtraum herauszunehmen. Da hat jeder eine ganz andere Hemmschwelle; für mich ist das gar kein Problem mehr, ehrlich gesagt. Aber ich kann verstehen, dass das für den einen oder anderen schwierig ist. Für das Tier, denke ich, gibt es keine große Stresssituation, sicherlich in dem Moment, wo sie ein Tier von der Weide nehmen, weil es das nicht gewohnt ist; die haben ja einen Herdentrieb. Sie fangen es ein. Die Gans ist ein sehr intelligentes Tier. Sie wiegt 6 Kilo. Es ist nass und schlammig draußen und dann wissen sie, was sie geleistet haben.  Das sind nicht die schönsten Momente, aber ich für mich sage nochmal, es hat hier 8 Monate gut leben dürfen und kann das aus meiner Sicht verantworten. So sehe ich das. Was das Wild angeht bin ich für den Abschuss ja nun nicht verantwortlich. Ich kriege ja nur das tote Tier. Ich kann nur sagen, man redet es sich schön. Ich weiß nicht ob ich auf ein Reh schießen könnte. Brauche ich ja nicht, aber das stelle ich mir schwierig vor.Ich sehe immer noch die Schönheit eines Fasans  Ich habe noch nie ein so schönes Gefieder bei einem Tier in allen Facetten gesehen. Ich finde auch den Hasen schön, dem ich dann das Fell über die Ohren ziehe. Es heißt ja nicht umsonst, er wird aufgehangen und man zieht das Fell herunter. Das ist ein wunderschönes Tier, wobei man sicherlich da auch ein bisschen Abstand kriegt. Die Kinder kennen das auch, die gehen in die Kühlkammer, sehen ihre Tiere und empfinden das nicht mehr als „eklig“. Die Schönheit des Tieres erkenne ich, sage aber auch für mich, es hat draußen in Freiheit gelebt und in begrenztem Maße bin ich bereit das Tier auch zu essen. Für mich wäre es Filet, weil viele Kinder sagen ich esse nur Filetfleisch, die gar nicht wissen dass es mal ein ganzes Tier war. Das empfinde ich ein bisschen heuchlerischer, als zu wissen, das ist ein Suppenhuhn, das hat mal irgendwo auf der Erde picken dürfen, jetzt esse ich das. Aber ich weiß auch mit Bedacht, das ich ein Stück Fleisch esse, eben ein Tier.
dpr:
Wir haben die Situation dieses strikten Trennens zwischen produzieren und konsumieren, statt den Zusammenhang zu bilden und zu sehen, was sich hinter den Kulissen abspielt,  bis hin zum Verbraucher

Frau Erhardt:
Aber das macht der Supermarkt ja auch sehr leicht. Ich sehe ja gar kein Tier mehr. Ich sehe einHähnchenbrustfilet, ich sehe Gehacktes. Ich erkenne kein Tier mehr dahinter. Für mich ist das, weil ich ja aus der Materie bin, ich weiß schon dass ist ein Tier. Und ich finde mit diesem Bewusstsein, glaube ich, ist man auch da angelangt, dass man das nicht jeden Tag konsumiert.Aber ich glaube, ich bin da nicht genormt, das muss ich natürlich auch sagen.

dpr:
Langsam wächst das Bewusstsein und die Leute sind mittlerweile daran interessiert, wie wird erzeugt, wo wird erzeugt, wie sind die Wege; habe ich eine Transparenz nachzuvollziehen, wo wächst das Tier auf, wo wird es geschlachtet und wo wird es dem Konsumenten zum Verzehr angeboten. Paul McCartney, hat einmal gesagt „Wären die Schlachthäuser aus Glas, würde niemand mehr Fleisch essen“. Viele Leute können oder wollen sich die Qualen, die sich heute noch in vielen Schlachthäusern abspielen, nicht vorstellen. Oft sind die Tiere nicht ordentlich betäubt, selbst Kühe mit Nachwuchs im Lein werden geschlachtet. Da ist es natürlich von Vorteil, wenn wir über Wild reden oder in ihrem Fall sagen können, ich mach das Schlachten selber und ich weiß was es heißt ein Tier zu töten und im Extremfall natürlich auch was es heißt, ein Tier leiden zu sehen. Dieses Bewusstsein ist ja bei den Verbrauchern in der Form nicht vorhanden, außer, sie kriegen Skandalvideos von Tierschutzorganisationen zu sehen. Aber nun zum Wild; das kommt bei Ihnen aus der Eifel. Wir haben in Deutschland in der Regel keine Gatterhaltung, es gibt sie aber verschiedentlich. In Neuseeland und Australien ist diese Qualhaltung sehr verbreitet. Das heißt,  was  heute bei den Discountern in Kühlregalen zu finden ist, kommt aus Gatterhaltung. Somit ist es wichtig von der hiesigen Situation zu reden und zu fragen -wie werden die Tiere geschossen, wird beispielsweise noch bewusst zugefüttert, um die Abschussmenge zu erhöhen?; welche Munition wird verwandt?; wird  bleifrei geschossen?; entspricht der gesamte Prozess einem ordentlichen Jägerkodex. In NRW gibt es Riesendiskussionen, was die Jagd und das Jagdverbot angeht. Aber wenn wir das als Nahrungsbeschaffung sehen und sagen, wir schießen nicht aus Mordlust, sondern wir schießen, um uns gesund zu ernähren. Die Tiere gezielt und ohne Leiden zu töten. Das ist ja eine andere Argumentation als zu sagen - ich ballere jetzt mal ein bisschen in der Gegend rum und bin auf der Suche nach schönen Trophäen. Wie sieht das bei Ihnen mit der Beschaffung von Wild aus?

Frau Erhardt:
Wir haben ausschließlich „Eifelwild“, was wir anbieten. Wir arbeiten in der 3. Generation mit einigen Jägern zusammen Es gibt einige junge Jäger, die sicherlich auch gerade so moderne Aspekte wie Ernährung auch deutlich kritischer sehen als ältere Jäger, die es aber sicherlich darunter auch gibt.Die Jagdstatuten geben natürlich vor, wann wir jagen dürfen und gerade im Bereich des Wildschweines würde ich behaupten, liegt es weniger im Ermessen der Nahrungskette als der Hege.Sie dürfen fast ganzjährig geschossen werden. Bei anderen Tieren wie  Rehe und Hirsche sind Schonzeiten einzuhalten. Da geht es auch zum Teil um die Befriedung des Waldes. Es ist also in letzter Instanz nicht die Nahrungskette die der Jäger da sieht, sondern um die Schäden des Wildschweines geringer zu halten. So müssen Sie sich das vorstellen. Das Ganze ist sicherlich aus  Sicht meines Mannes und von mir das bessere Wild, weil es eben draußen gelebt hat und auch nicht zugefüttert wird. Es hat natürlich auch etwas von Waidmannsheil. Es ist sicherlich so, dass man auch in Zeiten, wo sie das Wild gut vermarkten können,  nicht permanent zur Verfügung haben. Das ist nun einmal so. Es gehört auch eine Portion Glück dazu. So würde ich das betrachten. Und die Menge ist natürlich auch rar gesät. Mein Mann hat in Köln einen Sternekoch als Kunden, den besten den es m.E. gibt. Ihm könnte er sicherlich in der Herbstzeit 20 bis 30 Rehrücken anbieten, wenn er sie denn hätte. Aber das Tier hat ja nicht nur Rücken, es hat auch Keulen und Schultern. Ja, das ist dann schon eine  Menge. Und so muss man sich dann fragen, was mache ich mit dem Rest? Krieg ich diese Rehe tatsächlich. denn er hat eine Sternekarte und will das fix wissen. Das ist aber schon so ein Problem. Und dann sagen wir -  das kann ich dir nicht garantieren, denn ich weiß nicht wie ist das Wetter wird, wieviel Tiere fallen und, und, und. Also ein Reh ist nicht das Tier auf der Weide, von dem ich sagen kann, ich habe einen Bestand X, nur so und so viel kann ich verkaufen. Und da brauchen sie tatsächlich einen Konsumenten, der so wie bei den Eiern, wie bei Ihnen, dann schon mal sagt, nein, es ist nichts gefallen, das gibt es jetzt nicht  und ich habe auch phasenweise keinen Schinken weil ich zu wenig Keulen in der Fettschicht habe, weil ich kann diese Tiere ja nicht mästen bis sie ein gewisses Gewicht erreicht haben , sondern ich bin davon abhängig , wie schwer war das Tier beim Abschuss?  Also, das ist alles ein bisschen individueller und vielleicht ursprünglicher zu sehen. Was die Frage nach Blei angeht, das entscheidet der Jäger. Ob er mit Blei oder ohne schießt, kann man mal bei jüngeren Jäger erfragen. Keiner der älteren Jäger die ich kenne schießen ohne Blei. Da unterscheidet man, ich hatte ja auch mit dem WDR gedreht und da war ja auch Blei ein Thema mit dem Björn Freitag („Der Vorkoster“). Die haben das  im Labor getestet und man konnte keine Bleipartikel nachweisen. Das war jetzt ein Einzelstück. Aber wenn sie 30 andere Stücke haben, weiß ich nicht was da für ein Ergebnis rauskommt. Es ist ja so, dass die großen Tiere nicht mit Schrot geschossen werden. Bei Fasan oder Hase sieht das anders aus, da wird mit Schrot geschossen, welches streut; da haben sie auch kleine Schrotkugeln. Im Bereich dessen was ich  beim WDR erlebt habe, konnte man nichts nachweisen. Ich kann das nur widergeben, was mir da gesagt wurde. Ich erkenne bei den jüngeren Jägern sehr wohl eine Tendenz auf Blei zu verzichten, muss aber sagen, bei den Jägern ab 55 Jahren gibt es da keine solche. Und bei den Jägern,  häufig mit gutsituierte Berufen, die aber auch manchmal sehr autoritär reagieren und sich sicher nicht ins Handwerk pfuschen lassen. Ich als Frau würde wohl eher auf Blei verzichten.  Ich glaube, 10 Jahre weiter ist auch das Bewusstsein etwas anders als das heute ist.

dpr:
Es gibt mittlerweile Verbraucher, die sich natürlich bewusst um ihre Ernährung kümmern. Sie wollen nachvollziehen, was sie essen und wie es  erzeugt worden ist. Es ist aber noch nicht die große Mehrheit, gerade im Unterschied zu Ländern wie Frankreich oder Italien, wo wesentlich bewusster eingekauft wird und selbstverständlich ist für seine Lebensmittel einen Großteil des monatlichen Einkommens auszugeben.  Das Bewusstsein für gutes Essen, für genussvolles Essen aber sicher auch für gesunde Ernährung ist wesentlich ausgeprägter als in Deutschland. Wir sind irgendwo konditioniert auf billig, auf Masse. Es sollte auch für jene, die sich nicht so intensiv mit dem Thema beschäftigen, klar sein, das ein Kilo Hähnchenkeulchen für € 1,99 nicht seriös zu produzieren ist; es  muss zwangsläufig mit tierquälerischer Massentierhaltung zu tun haben.

Frau Erhardt:
Ja, bevor man so ein Tier isst , ist zu bedenken, es wird mehrfach „angefasst“, während der Schlachtung, Verpackung usw. Wie soll das funktionieren?

dpr:
Jetzt die Schleife zur Futterkette.  Sie verwenden möglichst eigenes Futter oder zumindest Futter nachvollziehbares Herkunft,  welches gentechnisch nicht manipuliert ist bzw. wo man möglichst keine Rückstände von Antibiotika oder Schädlingsbekämpfungsmitteln hat. das ist ja heute auch schon eine Kunst.

Frau Erhardt:
Ja, wir haben unser eigenes Geflügel, Gänse, Enten und Kapauen. Wir sammeln altes Brot. Wir verkaufen Gemüse, das heißt die Abfälle werden auch verfüttert. Wir haben eigene Kürbisse z.B., wenn die braune Stellen haben, die schmeißen wir den Gänsen auf die Wiese. Wenn Sie jetzt nur Tiere halten da fällt das ja gar nicht so an. Was also praktisch für die Biotonne ist, das wird mit verfüttert. Das ist jetzt hier natürlich alles ein bisschen leichter, aber so war es ja ursprünglich auch gedacht. Das war ja nicht umsonst so. Dieses Brot sammeln wir jetzt im Moment nicht, weil die kleinen Gänseküken es noch gar nicht essen können. So müssen Sie sich das vorstellen. Also, vieles aus der Vergangenheit macht schon absolut seinen Sinn. Kartoffelschalen und, und, und. Das ist das bessere Futter. Es gibt hier viele Weizenfelder und der Weizen wird auch  verfüttert. Aber das ist ja fast nicht mehr der Normalfall. Es ist auch nicht mein Werk, sondern das war schon immer hier Tradition.  Ich habe mich in diesem Geflügelhof so einquartiert und sicherlich das ein oder andere, was ich nicht initiiert habe, dankbar nutzen können. Auch das hier die Ställe extrem groß sind,  ist ja nichts, was ich jetzt erst ins Leben gerufen habe. Das war eine Gegebenheit, wo ich nur sagen musste, ja super. Sie sehen auch, wenn Sie Gänse haben, wie vorne im Bereich der Freiländer, den Raubbau an den Wiesen. Da brauchen Sie die nächste Wiese, also tatsächlich viel Platz. Das ist mitten in Köln erstmal zu bewerkstelligen.

dpr:
Richtig, und das ist, sagen wir einmal, das interessante. Sie haben ja für diese Produkte keine Biozertifizierung.

Frau Erhardt:
Nein!

dpr:
Nicht unbedingt wichtig ist, welches Label darauf ist, sondern wie ordentlich und seriös das Produkt erzeugt wurde. Das spiegelt der gesamte Hofladen wieder. Es geht hier nicht nur um Regionalität, es geht insbesondere auch darum - ich weiß wo es herkommt -  wie bei den angebotenen Molkereiprodukten des Milchwirtschaftsbetriebes „Thomashof“, der sich  auch ohne Biozertifizierung durch großzügige Weidehaltung abhebt. Aber das ist ja heute auch, sagen wir mal, ein wenig Etikettenschwindel. Ein Bio-Zertifikat wird angestrebt,  in der Regel werden auch vorgeschriebenen Mindeststandards eingehalten, trotzdem sind manchmal sogar in nicht zertifizierten Betrieben wesentlich bessere Bedingungen anzutreffen, so wie bei Ihnen.  Es hängt von authentischem Bewusstsein und Handeln ab. „Bio“ ist schön wenn es  gelebt werden kann, aber auch bei Biolabeln gibt es natürlich schwarze Schafe, das erleben wir immer wieder.  Wichtiger ist zu sagen -  ich vertraue lieber Menschen, die das mit Herzblut leben und dem Betrieb, den ich mir anschauen kann. Das ist vielleicht das charmante, was der eine oder andere Verbraucher mittlerweile erkennt, der bewusst in einem Hofladen oder einem kleinen Fachgeschäft einkauft. Was noch nicht aus den Köpfen raus ist, das man immer alles permanent verfügbar haben will. So, wir müssen ja vermeintlich das ganze Jahr Erdbeeren haben, wir müssen das ganze Jahr Spargel haben, auch wenn der aus Südamerika kommt.

Frau Erhardt:
Da gebe ich Ihnen Recht. Ich muss aber den Spargel zu Trauben machen. Ich arbeite mit einem Bauern zusammen, das ist irgendwo Richtung Düren/Eifel. Der hat einen Porree, der ist wirklich klein, verbogen, aber die Leute lieben diesen Porree.  Da ist ein richtiger Run drauf und da sagen wir auch, nein das ist nicht Bio, sie bekommen aber zwei zum Preis von einem dieser konventionellen. Der dürfte so nicht vermarktet werden. Und hier bei uns im Laden geht der richtig gut. Dieser Bauer ist auch mein Kartoffelbauer und die Kartoffeln sind sehr, sehr schmutzig, weil der Schmutz auf natürlichem Weg das Bestäuben verhindert. Das gibt dann auch eine geringere Keimbildung . Wegen  Grünkohlpestizide hat das Lebensmittelamt durch Zufall bei mir untersucht, d.h. die nehmen eine Probe und schicken diese ein. Da waren keine Pestizide drin; für mich wirklich noch mal eine Bestätigung. Dann habe ich den Lebensmittelkontrolleur gefragt, ob ich das Ergebnis nicht irgendwie aushängen dürfte für den Kunden.  Nein, das dürfen Sie nicht  Und da habe ich gefragt, könnte man denn nicht einen Aufkleber haben. Da ist man noch nicht soweit. So etwas würde ich mir persönlich für den Konsumenten wünschen. Ich bin mit dem Lebensmittelkontrolleur so verbleiben: Es gibt einen Ordner, wo das drinsteht und ich es dem Kunden zeigen kann.  Der Bauer mit dem krummen Porree ist parallel auf Grünkohlpestizide kontrolliert worden und er hatte nichts. Das sind dann auch so Dinge wo ich für mich sage, hey chaka, du machst das richtig. Ganz oft sagen auch Leute: Ihre Kartoffeln sind super lecker aber ganz schmutzig. Können Sie die nicht mal vorwaschen?Und wir müssen dann mit viel Kommunikation erklären, warum das so ist. Das ist ein Prozess, der teilweise anstrengend ist. Erklären warum etwas so ist  Aber da habe ich mich damals riesig gefreut, I ich bin ja nicht haftbar, sondern nur Käufer. Da habe ich mir gedacht, hier bist du richtig. Da fühlte ich mich auch bestätigt. So wie das Gemüse ausschaut. hat es nichts mehr von einem Supermarktgemüse. Es schmeckt königlich und da fühlte ich mich total bestätigt. Und das sind dann solche Momente wo man sich selber mal bisschen auf die Schulter klopft und sagt: Ja, richtig gemacht. Das ist nur so ein kleiner Exkurs, dass sie das vielleicht nachvollziehen können.

dpr:
Wenn  der Verbraucher Natürlichkeit will, muss ich auch Natur zulassen. So, sollte man auch mal eine krumme Gurke essen wollen oder eine dreckige Kartoffel mit nach Hause schleppen. Aber das Bewusstsein muss diesbezüglich erst langsam wachsen. Wir sind von den Handelsketten und teilweise schwachsinnigen Regelungen der EU erzogen worden alles einheitlich und makellos aussehend haben zu wollen. Leider schmeckt vieles oft dann auch nicht mehr so, wie es vielleicht mal vor vierzig Jahren geschmeckt hat, weil z.B. Bitterstoffe aus verschiedenen Gemüsen entzogen werden. Spätestens beim Abschluss des TTIP-Abkommens mit der USA werden stehen uns noch einige Überraschungen bevor. In diesem Zusammenhang wird gerne das Beispiel der im Chlorbad liegenden Hühner genannt.  Sie haben jetzt neu Kikok-Hühner im Programm, weil sie auf dem Hof keine Hühner mehr schlachten. Der Vermarkter sitzt  irgendwo im Raum  Bielefeld-Paderborn. Können Sie da nachvollziehen, ob dort alles in Ihrem Sinne  von statten geht  In einem Restaurant haben wir bereits ein Kikok-Hähnchen gegessen, übrigens von guter Konsistenz und sehr schmackhaft. Ein großer Qualitätsunterschied zu der Ware, die  einem so bei einer Grillbude angeboten wird.

Frau Erhardt:
Das kann man damit nicht vergleichen. Es ist kein Einheitszeug. Es ist ein
Verbund von Bauern, die sich vor zwanzig Jahren die Ziele gesetzt haben, kein Bio, mehr Platz für das Hähnchen, besseres Futter. Aus heutiger Sicht haben die meisten davon auf das richtige Pferd gesetzt.Ich habe auch ein bisschen recherchiert. Also so ein Verbund von 20 Bauern, die haben sicherlich aufgestockt. Die Betriebe werden externen Prüfungen unterzogen. Das Gute ist der teurere Futterstoff, der zu 50 %  aus Weizen und zu 50 % aus Mais besteht. Wenn Sie in den Supermarkt gehen, sehen Sie was eine Dose Mais kostet. Für das Tier ist das natürlich der Vorteil. Es wird fetter, ist gesünder und braucht damit einfach weniger Antibiotikum. Die Herden, die diese Bauern halten sind kleiner. Man kann also auf Antibiotikum verzichten. Sollten die Tiere dennoch eine Erkrankung aufweisen, die der Tierarzt zur Behandlung mit Antibiotikum freigibt, verlieren die Tiere ihren „Kikok“-Status und gehen verbilligt in den Supermarkt. Das heißt, das „Kikok“- wird nicht mehr benutzt. Im Grunde nach ist das eine Zertifizierung ähnlich wie bei einem Bio-Label. Der Schlachtbetrieb, das was sie ansprachen, der sitzt in Paderborn. Die Bauern sind verteilt in NRW. Es sind keine konzentrierten Ställe, sondern es sind kleinere Herden mit mehr Platz. Das ist das Konzept der Zukunft, der Trend dem Tier gutes Futter zu geben, denn ich esse ja dieses Tier.Bei dem „Kikok“ schmecken Sie den Mais, der ein nussiges Aroma mit sich bringt und ich bin bereit, auch wegen der höheren Futterkosten und dem mehr an Platz für die Tiere,  ein teureres Produkt zu kaufen. Es ist unablässig zu kontrollieren, sonst treiben sie einfach Schindluder. Auch wir werden hier im Hof 2x jährlich von einer Veterinärin vor einer Schlachtung kontrolliert. Also, ob die Tiere vorher betäubt werden, ich denke mal, Sie wollen das wissen, und wir haben auch Lebensmittelkontrollen mit Statuten und Richtlinien in diesem Bereich hier. Also ich denke die Kontrollen, was auch die Hygienestandards angeht sind okay. Da gibt es aber immer so zwei, drei Sachen wo die sagen,da müssen Sie aber nochmal ran. Dann denke ich immer, oh ja, und ohne so eine Kontrolle lässt man das schleifen. Ich glaube, schon relativ gut zu arbeiten, weil ich weiß, das muss sowieso abarbeitet werden, was. Auch diese Schlacht- und Aufzuchtbetriebe müssen kontrolliert werden; und das werden sie. Das ist eine Zertifizierung. Ob man immer so eine Zertifizierung, wie bei Bio, braucht? Aber ganz ohne Zertifizierung, glaube ich, sind wir machtlos. Da ist der Mensch, der nutzt das dann aus und denkt, es geht immer so weiter. Das darf auch nicht sein. Aber auch, wenn ich unsere Kontrollen hier auf dem Hof als anstrengend empfinde weiß ich im Grunde auch, wenn der Veterinär das Haus verlässt, ja so muss es sein. Sonst funktioniert das nicht.

dpr:
Sie nehmen das Prozedere positiv auf.  Das was viele Kleinbetriebe als notwendiges, vielleicht lästiges Übel anerkennen, wird in der Fleisch-Großindustrie natürlich teilweise bewusst nicht so gesehen, da wird Fleisch über den ganzen Kontinent von A nach B verschoben. Sie wissen nicht, ob Sie nicht ein bisschen Pferdefleisch drinnen haben, sie wissen nicht, welche Chargen sie überhaupt wo wiederfinden. Das heißt, eine Portion Hackfleisch besteht aus unterschiedlichsten Tieren. Ich kann das also nicht mehr nachvollziehen und es gibt auch nicht das Personal in den einzelnen Veterinärämtern, um das wirklich gezielt, umfangreich und permanent zu überprüfen. Manchmal gibt es sicherlich auch  Verflechtungen, weshalb vielleicht nicht so strikt geprüft wird, weil es um einen großen regionalen Arbeitgeber in der Agrarwirtschaft geht. Sonst wären wohl  manche Missstände, die teilweise so eklatant zur Erscheinung treten, gar nicht möglich.

Frau Erhardt:
Klar, aber für mich jetzt zu sagen, habe ich auch von den Veterinären einiges gelernt. Wo die Schwachstellen liegen könnten, gerade auch im Bereich von Hygiene. Ich hatte bisher noch nie was mit Salmonellen, aber sicherlich geben die Kontroleure auch Hinweise, die sehr sachdienlich sind. Das ist meines Erachtens für kleinere Betriebe ganz, ganz wichtig, wenn ich ehrlich bin. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie das aussieht, wenn die nicht mitmachen, weil ich mich dann oft frage, wie bekommt so ein Kiosk eine Konzession, weil meine Auflagen, die sind schon ordentlich. Da gibt es die Schriftgröße, wie ich z.B. einen Fruchtaufstrich, den ich nicht mehr „Marmelade“ nennen darf, weil im Fachbegriff heißt das „Fruchtaufstrich“ , sonst müsste ich , was den Gehalt des Zucker, Fruchtzuckers angeht, 4 mm, und dann frage ich mich, wie kriegen diese Menschen das hin? Aber gut, das ist noch einmal ein ganz anderer Prozess aber sicher hängt da auch eine ganze Menge an Bürokratie, an Formalitäten drin. Aber wenn man das jetzt nicht auf sich persönlich bezieht, ich habe da viel gelernt Ganz ehrlich, auch im Bereich der Hygiene.  Es ist wirklich ganz, ganz wichtig das  einzuhalten, ansonsten wäre das eine brisante Kiste und bei 30 ° im Sommer, das muss einfach stimmen. Ob es der Schlachtbetrieb ist, ob es das Verpacken hier ist. Wir könnten jemand damit wirklich verletzen, also wenn man den ins Krankenhaus bringt, z.B. eine alte Dame, deren Immunsystem nicht intakt ist, da weiß ich nicht, was passiert. Und das sind so Dinge wo ich dann wirklich schon sage, das ist vonnöten, zumindest in dem Bereich, in dem ich hier mit Fleisch arbeite.

dpr:
Richtig. Sie machen sich Gedanken und nehmen das Thema ernst  Erfreulich wäre, wenn sich so manche Großerzeuger auch noch intensiver mit dem Thema beschäftigen würden. Es gibt mittlerweile natürlich gute Ansätze von Großschlachtbetrieben, die mittlerweile auf bessere Schlachtbedingungen achten, ordentlich betäuben und vernünftig geschultes Personal beschäftigen. Die Wünsche und die Gesundheit der Verbraucher müssen stets im Auge behalten werden. Wenn jemand sagt, gut, mir ist egal wo das Tier herkommt und wie Fleisch erzeugt wird, die Hauptsache es ist billig,  dann ist das eine Meinung. Dem anderen, der sich bewusst nach Alternativen umschaut, der ordentlich erzeugtes essen und sich gesund ernähren will, dem muss  die Möglichkeit geboten werden sofort zu erkennen, wo er hingehen kann, um seine Wünsche erfüllt zu bekommen ohne über den Tisch gezogen zu werden. Das ist die Aufgabe der gesamten Lebensmittelerzeuger, die wir für die nächsten Jahre und Jahrzehnte sehen. Wieder mehr hin zur Natürlichkeit, sicher  auch mit dem Bewusstsein, das wir für Lebensmittel einfach mehr Geld ausgeben müssen. Ihnen wünschen wir auf jeden Fall ganz viel Glück und auch Standhaftigkeit, damit wir hier noch lange einkaufen können. Von Betrieben dieser Art gehen die notwendigen Impulse aus, weil sie ihre Aufgabe nicht nur darin sehen, viel Geld zu verdienen, was jeder selbstverständlich auf seriöse Weise tun darf.  Geld verdienen ist die eine Sache, die andere ist halt ein ehrlicher Händler und Erzeuger zu sein. Deswegen nochmals herzlichen Dank für das offene und ehrliche Gespräch.

Frau Erhardt:
Ja, sehr gerne.