"Artgerecht ist nur die Freiheit"
Interview mit Jan S. Peifer, Gründer Deutsches Tierschutzbüro am 31.05.2015 im verganen Restaurant "Signor Verde", Otto-Fischer-Straße 1, Köln
Guten Tag Herr Peifer, erfreulicherweise gewinnt die Thematik Tierschutz und artgerechte Tierhaltung enorm an öffentlichem Interesse, nicht zuletzt wegen immer neuer Horrormeldungen. Um nur drei zu nennen: der mafiöse illegale Welpenhandel, skandalöse Lebensbedingungen von Tieren in der Massentierhaltung und die Schlachtung trächtiger Kühe. Für diese Probleme ist eine erhöhte Aufmerksamkeit festzustellen. Gleichzeitig scheint es eine Inflation von neuen Tierschutzbewegungen zu geben. Dies wirft dann die Frage auf, wie kann eine Organisation ihre Zielsetzung seriös umsetzen, sprich Mitstreiter und Sponsoren gewinnen, ohne in Radikalität und Effekthascherei abzugleiten? Das Deutsche Tierschutzbüro erzielte in der letzten Zeit erhöhte Aufmerksamkeit, z.B. durch die von Ihnen aufgedeckten unhaltbaren Zustände der Schweinehaltung in dem sogenannten „Schweinehochhaus“.
dpr:
Was hat Sie dazu bewogen bzw. welches Schlüsselerlebnis gab den Anlass, sich gegen das Leid der Tiere einzusetzen und eine eigene Organisation zu gründen?
Jan Peifer:
Ja, um mich mal kurz zu fassen, das werden Sie gleich in meinem Vortrag auch noch hören. Als Teenager hatte ich ein Problem mit tierischen Produkten, die habe ich nicht vertragen und bin dadurch in eine Szene mit Tierschützern bzw. Tierrechtlern gekommen, die sich für die Tiere eingesetzt haben. So bin ich dazu gekommen. Ich war damals auch mit den Tierbefreiern unterwegs und habe das Elend in den Ställen gesehen. Mir geht es darum, die Leute darüber zu informieren, wie die Tiere tatsächlich dort gehalten werden. Die Tierbefreier holen auch mal Tiere raus, das ist sicherlich auch gut. Aber das kann man bewerten wie man möchte. Nur letztlich muss ich sagen, dass mir das nicht reicht. Wenn man 100 Tiere, was schon viel ist, rausholt dann tut man diesen 100 Tieren sicherlich einen Gefallen, die haben dann ein schöneres Leben, keine Frage, aber ich möchte mehr. Ich möchte nicht nur den 100 Tieren ein schönes Leben bereiten, sondern ich möchte das System ändern. Das ändere ich, indem ich solche Bilder mache und aufzeige wie die Schweine in einem solchen Schweinehochhaus gehalten werden, wie Tiere in der Legebatterie oder Kleingruppenhaltung gehalten werden, wie Tiere in der Tiermast gehalten werden, das ist letztlich das was mich antreibt.
dpr:
Wo liegen die Ziele und Aufgaben ihres Vereins, welche Schwerpunkte haben Sie sich in der aktuellen Tierschutzarbeit gesetzt und welche großen Erfolge haben Sie bisher erzielt?
Jan Peifer:
Mein primäres Ziel ist es, Menschen zu erreichen, die sich bisher mit der Thematik Massentierhaltung/Nutztierhaltung noch nicht auseinandergesetzt haben, also Ottonormalbürger, der sogenannte Mainstream. Das ist eine Riesen-Zielgruppe, so denken wir, und diese möchte ich erreichen. Wir möchten diesen Leuten aufzeigen, dass diese heilen Werbeversprechungen, welche die Industrie auf Verpackungen im Supermarkt wiederspiegelt, auf denen man nicht das sieht, wie es tatsächlich ist. Deswegen liegt unser Schwerpunkt darin, zu dokumentieren wie die Tiere gehalten werden. Dafür suchen wir uns absichtlich Großfirmen aus, die immer wieder in Erscheinung treten indem sie dem Verbraucher suggerieren, was für eine heile Welt es gibt. Und wir sind der Meinung es wird einem vorgegaukelt und deswegen möchten wir das aufzeigen. Das ist unser Schwerpunkt. Die Erfolge bestehen primär darin das wir eben solche Recherchen, so nennen wir das, also solche Dokumentationen in die Öffentlichkeit bringen, damit sie im Fernsehen laufen. Wir haben aufgrund unserer Arbeit dahingehend Erfolg, dass z.B. Mastanlagen geschlossen werden und ein Schlachthof sogar schon aufgrund unserer Arbeit geschlossen wurde. Und das ist das was uns antreibt und das möchten wir natürlich zukünftig auch noch weiter intensivieren.
dpr:
Es gibt eine Tierschutzorganisation, die sich ausschließlich gegen Massentierhaltung einsetzt. Wie sehen Sie das?
Jan Peifer:
Ja, da ist das Ziel, die Tierhaltung, das man Tiere halten darf und soll und das möglichst artgerecht. Ich bin halt der Meinung, das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, man kann Tiere nicht artgerecht halten. Und deswegen sehe ich das etwas anders. Aber es ist gut, dass es sie gibt und das Tierschutzorganisationen viel erreichen können.
dpr:
Es ist ja auch schon einmal wichtig, dass sich dieser Verein z.B. gegen die Schnabelkürzungen einsetzt und auch dafür das die Tiere mehr Platz haben. Das ist ja auch schon ein Vorteil für die Tiere.
Jan Peifer:
Ja, sicher
dpr:
Manche Tierrechtsorganisationen sind vielleicht etwas zu dogmatisch. Sie fordern auf kein Fleisch zu essen, jeder soll vegan leben. Alles andere ist Tierquälerei. Es ist ja nun mal auch so. Das ist wirklich oft Tierquälerei, wie mit unseren Nutztieren umgegangen wird.
Jan Peifer:
Ja, wie eben schon gesagt. Es geht ja darum, wie erreicht man Menschen? Sie sind ja schon jemand, der sensibilisiert ist und Sie reagieren ganz anders darauf. Aber diese Leute sind bei uns und auch bei diesen Tierrechtsorganisationen nicht die Zielgruppe. Unsere Zielgruppe ist wirklich der ganz „Normale“ auf der Straße. Diese sagen: Massentierhaltung, was ist das? Und genau die will ich erreichen. Das ist so eine große Masse. Und wenn ich erreiche, dass diese nur einmal in der Woche kein Fleisch essen, dann ist das ein Riesenerfolg. Und das ist eigentlich so mehr unser Ansatz.
dpr:
Und das ist eine gesunde Zielrichtung. Man darf nicht zu dogmatisch sein auch wenn man seine eigene Überzeugung hat. Man darf geteilter Meinung sein darüber, was ist artgerecht, ein tiergerechtes Leben? Auf der anderen Seite muss man das auch so sehen, dass manche Menschen sich schwer tun, ganz auf tierische Produkte zu verzichten.
Jan Peifer:
Und das ist genau der Punkt. Weil jeder woanders steht. Und wenn sich jemand nicht mit der Thematik auseinandergesetzt hat und jeden Tag Fleisch isst und ich sage dem ganz dogmatisch, hör mal auf Fleisch zu essen, der sagt dann: häh, was ist denn mit Dir?
dpr:
Das ist auch das, was wir in unserem Onlinemagazin immer im Fokus haben: Über diejenigen zu berichten, die sich mit einer guten Tierhaltung auseinandersetzen. Ob es ein Bauernhofladen ist, ein Hühner- oder Gänsezüchter, der vernünftig arbeitet und schonend schlachtet oder ähnliche Dinge. Sagen wir mal, eine sanfte Darstellung der Themen. Man kann das auch ganz radikal sehen. Aber um die Menge zu erreichen und alle einzufangen darf ich sie nicht verschrecken.
Jan Peifer:
Ja und das passiert leider sehr häufig. Also, es war eins meiner ersten Erlebnisse. Damals bin ich dann zu einer Demo von diesen Tierrechtlern gegangen. Und da hatte ich Lederschuhe an. Es waren 10 Leute auf dieser Demonstration, mit mir 10 und die anderen neun haben sich auf mich fokussiert und mir weisgemacht, dass ich hier nichts zu suchen habe mit meinen Lederschuhen. Wo ich dann denke, was ist mit den neun Leuten, ich habe ja gerade erst angefangen. Mittlerweile kaufe ich kein Leder bzw. Lederschuhe mehr, aber das war vor 20 Jahren. Wo steht man, wo will man hin und wo wird man abgeholt? Das ist glaube ich etwas, wo man aufpassen muss, weil man sonst zu radikal wirkt, dann erschrecken die Leute und das ist das, was ich nicht möchte. Ich möchte die Leute einladen, mitzukommen um mal zu sehen, wie weit sie gehen möchten. Vielleicht wird einer ja Veganer oder sagt, Donnerstag ist Veggietag. Das ist übrigens auch eine tolle Kampagne und damit bewirkt man auch schon unheimlich viel.
dpr:
Ja, ich denke das ist ein guter Ansatz und das haben wir auch schon erkannt. Trotzdem erscheint das Auftreten mancher Organisationen als kontraproduktiv. Die Leute fühlen sich dann eher auch angegriffen. Letztens habe ich auf einem Glascontainer einen Aufkleber gesehen, auf dem eine Kuh ohne Kopf in ihrem Blut lag.
Jan Peifer:
Damit erreicht man, denke ich, nicht so viel. Weil, Leute wie Sie und ich können damit umgehen, wir können das einordnen, haben den Zusammenhang. Aber ein Ottonormalbürger denkt dann, was sind denn das für Spinner? Da versuchen wir es einfach mit Humor. Wir haben jetzt z.B. etwas in Planung, da sieht man ein süßes Ferkelchen, das guckt so in die Kamera und da steht halt drauf: - Iss mich nicht! Das ist jetzt so ein bisschen was lustiges, was humorvolles. Oder wir haben noch etwas anderes mit einem Jutebeutel, da sieht man halt auch so ein Schwein, da steht drauf: - Beiß dir doch in den eigenen Arsch! So, das ist ein bisschen humorvoll. Damit erreicht man einfach auch Leute, die dann mal darüber nachdenken. Das heißt nicht, dass die auf einmal aufhören, Fleisch zu essen. Und ich glaube, dass sie dann eher mal nachdenken als wenn sie ein Bild von einer Kuh ohne Kopf, die in ihrem Blut liegt, sehen. Dann denken die wahrscheinlich nicht darüber nach sondern sagen: Lass mich in Ruhe damit! Aber wenn sie dann einen lustigen Spruch oder Gag sehen, wirkt es vielleicht eher.
dpr:
Was ich natürlich auch wichtig fände, aber das wird wahrscheinlich nicht passieren. Wenn in den Supermärkten an den Fleischtheken solche Bilder hängen würden, so wie es ist und so wie es sein sollte. Die meisten Leute sehen ja nur noch dieses Fleisch vor sich und sehen das Tier ja gar nicht mehr was dahinter steht.
Jan Peifer:
Das ist richtig!
dpr
Bei unseren letzten Terminen haben wir mit vielen Menschen gesprochen, die wirklich versuchen, Ihren Job, d.h. die Tierzucht, das Handeln oder auch das Herstellen von tierischen Produkten relativ seriös zu betreiben. Natürlich gibt es das Problem, das Tier wird geschlachtet, wenn man es essen oder verkaufen will. Aber bis dahin haben diese Leute sehr große Ansprüche an sich und ihr Tun. Das ist dann zumindest ein kleiner Ansatz, die Massentierhaltung und die furchtbar schlechten Lebensbedingungen der Tiere etwas zu reduzieren. Auf diesem Weg kann man natürlich auch etwas verändern. Aber das wird ein langer Prozess. Man wird nicht davon ausgehen können, das 80 Millionen Menschen vegan leben werden .Aber es ist ein Ansatz, das Menschen ihr Konsumverhalten überdenken. Mancher macht es vielleicht in kleinen Schritten ein anderer bleibt dann dabei, trotz der aufgedeckten Wahrheiten.
Jan Peifer
Ja gut, gleich in meinem Vortrag wird man auch noch das eine oder andere über meine Arbeit erfahren.
dpr
Herr Peifer, wir wünschen Ihnen noch viel Erfolg bei Ihrer wichtigen Arbeit und bedanken uns herzlich für das Gespräch.
Das Gespräch führten Heidemarie und Tilo Herde