"Ich versinke, ich werde mit dem Bild eins"
„Im Bild fließen alle Erinnerungen, erlebtes, gesehenes mit rein.“ erzählt mir Künstler Marius Singer in seinem Atelier in Erpel. In einem kleinen Ort am Rhein steht ein Haus voll mit Bildern. Es sind farbige Landschaften, blaue Meere, unendlich lange Horizonte, die mich angucken. Egal wohin ich schaue, es sind überall positive Farbschichten, die angenehme und naturelle Gefühle erwecken.
Erinnerungen
Marius Singer: Ich habe immer das Wasser geliebt; Farbe Blau. Als Kind hatte ich blaue Bekleidung, blaues Besteck, blaues Geschirr. Ich werde nie vergessen, Anfang der 1960er Jahre; das erste Mal mit meiner Familie ans Meer gereist. Ich habe genau gespeichert, wie ich als Fünfjähriger im Auto am Horizont dies Wasser sah. Wir hatten einen Gummiball im Auto. Dieser Geruch von diesem Ball, das habe ich so gespeichert. Wenn ich heute ans Meer fahre, bin ich fünfjähriges Kind, und ich bin glücklich.
dpr: Vor mir ein riesiges Bild an der Wand, das eine gewisse Sehnsucht weckt, Sehnsucht nach Abstraktem, nach etwas, was unbewusst ist, aber Geräusche hat. Diese Geräusche führen in den Ozean rein. Dabei begleiten mich bezaubernde blaue Wellen vom Atlantik. Marius Singer war 2010/2011 in Kapstadt. Von dorther ist dieses Bild geschaffen.
dpr: Gibt es bei Ihnen vorher schon eine konkrete Idee, was Sie malen möchten?
Marius Singer: Ich war so fasziniert von der Natur, von dem Licht und von den Farben, die die Luft und das Wasser spiegelte und mir entgegen traten. Dieser Blick war im Hirn eingebrannt. Diesen Blick gebunden in einem wunderbaren modernen Haus, was nur verglast war, ich guckte von oben über Kapstadt. Meine erste Idee war – Das möchte ich malen. Ich habe eine Skizze gemacht und dann in Deutschland umgesetzt. Da war mir vorher klar, dass das so aussieht.
Erlebtes
dpr: Sie malen gern Natur, ist Ihre Naturverbundenheit zeitlos? Quasi erlebt man da eine Langsamkeit, was im realen Leben anders ist und schneller heißt?
Marius Singer: Beim Malen liegt meine Leinwand direkt auf dem Boden, auf Grass in meinem Garten. Dadurch ist der Malprozess ganz anderes. Daraus kommt eine ganz andere Struktur, Effekte, die gar nicht vorher zu bestimmen sind. Auf dem Boden zu arbeiten kam spontan bei mir. Das Arbeiten in der Natur, das entspricht mir sehr. Die Idee, im Bild auch mit der Natur verbunden zu sein. Das ist das Schöne. Ich liege auf dem Bild, ich knie auf dem Bild, ich steige quasi in das Bild herein. Ich versinke, ich werde mit dem Bild eins. Das ist für mich ein Zustand von Glück.
dpr: Bekommen Ihre Bilder immer positiven Charakter, Energie?
Marius Singer: Ich nenne meine Bilder positive Energiefelder. Positive Energie an der Wand zu haben, die mehr drin steckt, die ich in das Bild hinein stecke. Ich bin sehr sensibel, ich versuche öfter Stress zu vermeiden. Ich kann z.B. nie in der Großstadt leben, Je älter ich werde, umso mehr Ruhr brauche ich, umso mehr ziehe ich mich auf`s Land zurück, um in Ruhe zu arbeiten. Weil die Realität oft so schrecklich ist, flüchte ich mich eben in meine Welt, wo ich meine nur positiven Bilder schaffe. Das tut mir gut und ich möchte auch anderen Gutes tun.
dpr: Ich denke, dass Ihre Bilder zwischen Transparenz und Abstract schwimmen, d.h. ich kann auch in Farben Figuren sehen und gleichzeitig nur die unterschiedlichen Farbtonne genießen. Haben sie eine bestimmte Technik, die das so schafft?
Marius Singer: Seit 30 Jahren bin ich der Spachteltechnik treu. Ich habe damit begonnen Anfang der 1980er Jahre. Grundsätzlich hat sich an dieser Technik nichts verändert, aber die Technik in sich variiert immer. Ich lege die Leinwand auf dem Boden, ich trage eine Farbe auf und dann kippe ich das Wasser auf die Leinwand. Sie trocknet an. Ich muss den richtigen Moment finden. Die Farbe darf nicht zu trocken, nicht zu nass sein. Dann nehme ich ins Wasser getauchte Tücher und ziehe sie über die Leinwand. Dadurch lösen sich die Farbpigmente, die noch nicht trocken sind, was angetrocknet ist bleibt stehen. Das ist ein Prozess, den ich immer wieder-hole. Das sind sehr viele Farbschichten auf der Leinwand, es wird immer wieder neue Farbe gemischt, um feine Farbnuancen zu finden. Damit bekommt das Bild transparenten Charakter.
dpr: Ist das wichtig was der Betrachter bei Ihren Bildern spürt?
Marius Singer: Ich lasse Freiräume für die Betrachter. Jeder kann in die Bilder hinein interpretieren. Viele Menschen suchen nach Figuralen, weil viele mit Abstract nicht klar kommen. Die Intension ist, mein Gefühl, meinen Seelenzustand sichtbar zu machen.
dpr: Finden Sie, dass ihre Malrichtung, der Malstil Abstract ist?
Marius Singer: Ich will alles beherrschen. Mein Malstil geht zwar in die abstrakte Richtung, aber ich male auch figural. Ich möchte mich und meine Technik weiter entwickeln. ich möchte nicht
Gesehenes
Marius Singer: „Meine Performances sind gemalte, getanzte und gehörte Bilder der Seele, für die Seele“
dpr: Marius Singer wollte damals Kostümbildner werden und hatte auch das Studium angefangen. Während seines Studiums hat er eine Art Roboter-Kostüm gebaut und mit Ölfarben bemalt. Sein Professor meinte damals, dass er ein so gutes Gespür für Farben habe und etwas mit Malerei anfangen sollte. Obwohl er in dieser Zeit ein Angebot in Hamburg als Kostümbildner hatte, ging er auf diese Schiene und studierte freie Kunst in Köln. Damit aber die alte Leidenschaft zum Kostümbildnern nicht verloren geht, bemalt Marius Balletttänzer-Trikots mit dem Ziel, seine Bilder, seine Kunst, live zu präsentieren. Diese Perfomancekunst ist eine Herzensangelegenheit bei Singer, die einfach sein muss. Diese Balletttänzer schaffen eine Performance mit Livemusik. “Sie vermitteln quasi Bilder, sie erzählen Bilder“. Die Idee dabei „die Seele sichtbar zu machen“, kam von Marius Singer selbst. Mit Hilfe der Choreografen erklärt er den Tänzern was bei der Vernissage passiert. “ Sie sollen auf meine Kunst reagieren, selber überlegen was ihnen einfällt, spontan auf die Kunst reagieren“. Singer plant in 2015 auf der ArtKarlsruhe seine Performance zu zeigen. Sein Traum ist, auf einer Bühne mit Tänzern zum Thema Malerei zu arbeiten - weiter aus dem Bild hinaus zu gehen -. Diese Performance finanziert er komplett selber, mit der Hoffnung “Wenn man viel gibt bekommt man auch etwas zurück“.
Das Gespräch führte im August 2014 Inga Khapava