Portraits durch Portraits
Die Suche nach...
Der ältere Mann mit den roten Blumen in der Hand sucht auf den Straßen in Tiflis (Georgien) nach Frauen, Männern, die seine Blumen kaufen. Mariam, die damals vor zehn Jahren in Tiflis wohnte, sucht nach Farben, nach Kreativität. Sie will malen und in der Academy of Art studieren. Aber die Suche endet nicht in Malerei, sondern in der Fotografie. Mariam sieht diesen älteren Mann mit roten Blumen öfter und ist inspiriert von seinen großen warmen Augen - und ein Schnappschuss, die erste Aufnahme, ist da - Jede seiner einzelnen Falten beschreibt, dass Georgien ein altes Land ist, welches immer wieder versuchte auf dem Weg zur Freiheit jung und revolutionär zu bleiben.
Das Porträt ist eine Mischung von Alt und Jung sein, von Vertrauen und Wild sein.
Liebe zerstört die Zeit
Weil die Zeit ein geheimvolles Phänomen ist, wird Sie von Menschen unterschiedlich wahrgenommen bzw. unterschiedlich gefühlt. Viele Dinge beeindrucken die Zeit. Ein Beispiel – Kulturen. In Afrika, bilden wir uns ein, ginge die Zeit langsamer als in Europa. Mariams georgische Zeit ist auch etwas ruhiger, losgelassener als die deutsche Zeit. Man bemerkt dort nicht so schnell Entwicklungen wie hier. Nichtsdestotrotz fühlte Mariam kaum einen zeitlichen oder kulturellen Schock als Sie nach Deutschland kam um Lehramt an der Universität Köln zu studieren. Sie liebte die deutsche Sprache und Kultur sehr. Aber der Hauptgrund weshalb Mariam das Wort Integration nicht versteht, ist ihre große Liebe Andre. Sie hatte damals, bevor Andre in ihr Leben kam, andere Vorstellungen von der Liebe. Ihre Wahrnehmungen waren einsam und nicht zweisam - wie es mit Andre heutzutage ist. Mariam ist glücklich mit ihm. Sie steht mit dem Rücken gegenüber der Zeit, sie ignoriert diese, sie braucht keine Zeit zu messen, sie und ihre Liebe ist zeitlos und kennt keine Integration.
Janusköpfige Gefühle
Georgien ist ein kleines Land. „Es ist auch schön.(...) mit Bergen und einer steinigen Küste am Schwarzen Meer.(...) reich an Flüssen, an Wasserfällen, an saftigen Früchten und mit dem besten Wein. (...) Lässigkeit (sprich Faulheit) und der nicht vorhandene Ehrgeiz in unserem Land als wahrlich erhabene Eigenschaften gelten. (...) das Land , das bei seinen Bewohnern liebenswerte Eigenschaften wie die heiliggesprochene Gastfreundschaft und weniger liebenswerte Eigenschaften wie Opportunismus und Konformismus begünstigt. (...) Das Land, in dessen Sprache es kein Geschlecht gibt.“ (Nino Haratischwili „Das achte Leben“). Das Land wo jeder jedem hilft, wenn es sein muss und die große Sonne immer wieder scheint. Das Land, wo Kinder mit mehreren Generationen zusammen aufwachsen und die Nachbarshaft über dich Bescheid weiß, auch darüber wie deine zukünftigen Pläne aussehen. Mariam hat ihr Leben in diesem Land, in ihrem starken sozialen Umfeld, gut gelebt; ist viel gereist, hat viel gelesen, an Poesie-Abenden teilgenommen. Es gab aber Zeiten, wo sie sich einsam gefühlt hat. Ihre Einsamkeit war nicht unbedingt negativ, sondern eher - Ein-in-sich-gehen-Gefühl -, was aber immer noch sehr schwer ist in einer kollektiv denkenden Gesellschaft. Weil - „Alleinsein ist gefährlich und unnütz - Das Land vergöttert die Gemeinschaft und misstraut dem Einzelgänger.“
Und wiederum in Deutschland die Forderung - stark, unabhängig, ein Individuum zu sein - auch viel Positives hat. Mariams Porträt prägt - sowohl ein Individuum sein zu wollen, als auch ein größeres Umfeld um sich herum zu haben – Gefühle, die manchmal zur Einsamkeit führen.
Was du behältst ist verloren, was du weitergibst ist gewonnen
Sagt ein georgisches Sprichwort. Wo die georgische Regierung nicht hilft oder keine Verantwortung übernimmt, gibt es immer wieder Menschen, die es selbst tun. Diese ältere Frau im Bild lebt allein auf der Straße und kümmert sich um Tiere, die kein zu Hause haben. Sie ist sehr bekannt bei den Touristen, besonderes bei deutschen Touristen; daher kann sie auch ein paar Sätze auf Deutsch sagen.
„Es ist ein Land, das bis heute seinem Goldenen Zeitalter zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert nachweint und hofft, eines Tages wieder den einstigen Glanz zurückzugewinnen.“ (Nino Haratischwili-Das achte Leben) 09-2015 Inga Khapava