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Wie glaubwürdig sind Arbeitsmarkt-Statistiken

Beispiel „Arbeitsmarkt älterer Arbeitnehmer“

Einführung
Die amtliche Statistik als die von staatlichen Stellen oder auf Veranlassung des Staates betriebene Statistik hat nach dem Gesetz über die Bundesstatistik (Bundesstatistikgesetz – BStatG) die Aufgabe, laufend Daten über Massenerscheinungen zu erheben, zu sammeln, aufzubereiten, darzustellen und zu analysieren (§ 1 BStatG). Sie ist dabei den Grundsätzen der Neutralität, der Objektivität und der wissenschaftlichen Unabhängigkeit verpflichtet.  Neben der allgemeinen Information werden die statistischen Ergebnisse von den gesetzgebenden Körperschaften, Regierungen und Verwaltungen vorrangig für die Durchführung von Verwaltungsaufgaben, als Entscheidungsgrundlagen für Planungs- und Reformvorhaben sowie für die Erfolgskontrolle staatlicher Maßnahmen benötigt. Statistische Informationen sind somit unverzichtbarer Bestandteil einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Das Statistische Bundesamt (St. BA.) arbeitet dabei unabhängig und weisungsungebunden. Es ist der Dienstaufsicht des Bundesinnenministeriums unterstellt, das heißt, dass viele wichtige Entscheidungen nur mit dessen Zustimmung getroffen werden können. In fachlichen Fragen ist das St. BA. der Fachaufsicht der verschiedenen Bundesressorts unterstellt, die darauf achten, dass die von der Europäischen Union (EU) oder innerstaatlich vorgeschriebenen Bundesstatistiken "ordnungsgemäß und rechtzeitig durchgeführt werden" (Statistisches Bundesamt 2011a: 7). Die Erhebungen der amtlichen Statistik in Deutschland werden zunehmend vom EU-Recht bestimmt. Dabei wird meist dem Konzept der Outputgesetzgebung gefolgt: Die EU schreibt vor, welche Daten sie benötigt, und die Mitgliedstaaten entscheiden, auf welche Weise diese gewonnen werden.

Arbeitslosigkeit - Was die offizielle Statistik verbirgt
Die Zahl der Arbeitslosen erscheint heute so niedrig wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Doch nicht jeder Erwerbslose wird mitgezählt. Vergleiche mit älteren Zahlen sind kaum möglich. Gesetzliche Änderungen haben die Statistik in der Vergangenheit stark verändert. Millionen Deutsche gelten als arbeitslos, viele andere ohne Arbeitseinkommen aber nicht. Die offiziellen Zahlen kommen jeden Monat von der Bundesagentur für Arbeit. Doch nicht jeder Erwerbslose taucht in deren Statistik auf.

Ist die Arbeitslosenstatistik geschönt?
Zwar ist in Deutschland per Gesetz festgelegt, wer als arbeitslos gilt, die alleinige Grundlage für die offizielle Statistik ist diese Definition aber nicht. Eine wichtige Rolle spielen auch Gesetze, Verordnungen und Weisungen an die Mitarbeiter der Bundesarbeitsagentur, der Jobcenter und Arbeitsgemeinschaften in den Kommunen. Hier wirkten und wirken sich viele Änderungen oft auch auf die Statistik aus - meist so, dass die offiziellen Arbeitslosenzahlen sanken.

Wer fällt raus aus der Statistik?
Im Prinzip ist die gesetzliche Definition weit gefasst. Sie umfasst alle Erwachsenen, die keine Arbeit haben, weniger als 15 Stunden pro Woche arbeiten oder krankgeschrieben sind, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung suchen und für einen Job sofort verfügbar sind. Generell nicht als arbeitslos angesehen werden Schüler, Studenten und Rentner, auch im erwerbsfähigen Alter. Zudem müssen sich die Betroffenen bei den Behörden persönlich arbeitslos gemeldet haben. In der Arbeitslosenstatistik fehlen außerdem diejenigen, die durch Instrumente der Arbeitsmarktpolitik gefördert werden. Das betrifft die Fort- und Weiterbildung genauso wie Trainings- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Wer einen Ein-Euro-Job hat oder einen Gründungszuschuss erhält, ist damit offiziell nicht arbeitslos. Nicht erfasst werden außerdem alle Personen ab einem Alter von 58 Jahren, die mindestens seit zwölf Monaten Arbeitslosengeld II beziehen und in dieser Zeit keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten bekommen haben. Zusätzlich streicht die Arbeitsagentur alle aus der Statistik, die eine Vermittlung erschweren, weil sie ihre Pflichten bei der Jobsuche nicht erfüllen. Da sich die Zählung durch Gesetzesänderungen regelmäßig ändert, ist die heutige offizielle Arbeitslosenzahl kaum mit früheren vergleichbar.

Mogelt Deutschland mehr als andere Länder?
Nein. Jedes Land definiert Arbeitslosigkeit anders. Die deutschen Kriterien sind relativ weit gefasst. Der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zufolge endet Arbeitslosigkeit beispielsweise, wenn jemand mindestens eine Stunde pro Woche arbeitet. In Deutschland liegt die Grenze bei 15 Stunden.

Welche gesetzlichen Änderungen beeinflussen die aktuelle Statistik?
Immer wieder formulierte die Politik die Kriterien so um, dass die Arbeitslosenzahlen offiziell sanken. Einige Beispiele: Im Mai 2003 wurde geregelt, dass Erwerbslose nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr von der Arbeitsagentur vermittelt werden. Sie bezogen weiter Unterstützung, wurden aber nicht mehr als arbeitslos gezählt. 2007 wurde die Regelung geändert, denn sie passte schlecht zum Ziel der Großen Koalition, Ältere bis zum 67. Lebensjahr arbeiten zu lassen. Doch die Furcht vor einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen war zu groß. So einigte man sich darauf, die Älteren ab 58 Jahren als Arbeitslose zu streichen, wenn sie innerhalb eines Jahres kein Stellenangebot erhalten. Ab Januar 2009 sind mit einem Gesetz Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung eingeführt worden. Dazu zählen die sogenannten Ein-Euro-Jobs, gemeinnützige Arbeit und Schulungsmaßnahmen des Jobcenters. Wer in solchen Maßnahmen steckt, taucht seitdem in der Arbeitslosenstatistik nicht mehr auf. Nur in wenigen Fällen führten Gesetzesänderungen dazu, dass die Arbeitslosenzahlen in der amtlichen Statistik stiegen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Hartz-IV-Reform, weil ab 2005 die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger in die Statistik einbezogen wurden. Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) erhöhte dieser Hartz-IV-Effekt die Arbeitslosenzahl damals um etwa 380.000.

Arbeitslosenstatistik im  Juli 2009 - Das manipulierte Ritual
Arbeitsmarktstatistiken sind nicht nur in Deutschland eine beliebtes Instrument, um Politik zu machen. Denn sie kann das Image einer Regierung oder eines Landes prägen. Doch die wichtige Zahl sollte wenigstens einheitlich berechnet werden. Es ein festes Ritual. Die Bundesagentur für Arbeit gibt die Arbeitslosenzahlen am Ende des Monats bekannt und eine siebenstellige Ziffernfolge findet sich in vielen Diskussionen wieder. Doch um das Ritual selber macht sich kaum jemand Gedanken. Denn so fest ist das Ritual gar nicht, wie man glauben könnte. Wäre zum Beispiel die Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld nicht im vergangenen Jahr von 6 auf 18 Monate verlängert worden, die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland läge derzeit wohl um mindestens 500.000 höher. Manipulationen und kleinere Eingriffe in die Berechnung wie zuletzt im Mai sorgen dafür, dass die Ziffer immer weniger Bedeutung hat. Allein der stetige Verdacht der politischen Einflussnahme beschädigt die ohnehin mit zu vielen Ansprüchen aufgeladene Statistik. Denn sie entscheidet schon mal über das Image einer ganzen Regierung oder sogar eines ganzen Landes. Die wichtigste aller wirtschaftspolitischen Kennzahlen sollte wenn schon eine unmanipulierbaresein. Das würde verhindern, dass sich Politiker mit immer neuen Tricks an der Arbeitslosenstatistik vergreifen. Und dann bliebe nur eine Möglichkeit, die Zahlen positiv zu beeinflussen: erfolgreiche Beschäftigungspolitik.  Und wenn schon eine solche feste Kennzahl gesucht wird, kann auch gleich das große Rad gedreht werden: Ein internationaler Standard für die Definition und Messung von Arbeitslosigkeit stünde allen Beteiligten gut zu Gesicht. Er würde verhindern, dass Jobwunder in die Welt gesetzt werden, die sich erst bei genauerem Hinsehen als Mythen entpuppen.

Erwerbspersonenpotential Stille Reserve
Deutschlandweit ging der Rückgang der Arbeitslosenzahl von 4,86 auf 3,24 Millionen in den Jahren 2005 bis 2010 mit einem Rückgang der Stillen Reserve von 1,54 auf 1,17 Millionen einher. Das Erwerbspersonenpotenzial kann als "Arbeitskräfteangebot unter Vollbeschäftigungsbedingungen" verstanden werden." Es setzt sich aus den Erwerbstätigen, den Arbeitslosen und der sogenannten Stillen Reserve zusammen. Zur Stillen Reserve gehören laut Bundesagentur für Arbeit insbesondere: Personen, die beschäftigungslos sowie verfügbar sind und Arbeit suchen, ohne als Arbeitslose registriert zu sein, Personen, die die Arbeitsuche entmutigt aufgegeben haben, aber bei guter Arbeitsmarktlage Arbeitsplätze nachfragen würden, Personen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und in Warteschleifen des Bildungs- und Ausbildungssystems undPersonen, die aus Arbeitsmarktgründen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind. Dabei können auch Rentner, Erwerbsunfähige, Praktikanten, Schüler und Studenten Teil der Stillen Reserve sein – ausschlaggebend ist, dass sie nur deshalb nicht arbeiten, weil der Arbeitsmarkt keine oder unzureichende Beschäftigungsmöglichkeiten bietet. Im Gegensatz zu den Daten zur Unterbeschäftigung, die die Bundesagentur für Arbeit (BA) veröffentlicht, umfasst die Stille Reserve, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) berechnet, weder Personen auf dem 2. Arbeitsmarkt noch Personen in geförderter Selbstständigkeit oder Personen in Kurzarbeit, da alle drei Personengruppen erwerbstätig sind. In Westdeutschland stieg die Stille Reserve zwischen 1991 und 1997 von 1,04 auf 1,60 Millionen. Bis zum Jahr 2000 reduzierte sie sich auf 1,11 Millionen und blieb dann bis 2004 relativ stabil. Zwischen 2005 und 2009 ging die Stille Reserve von 1,17 Millionen auf 756.000 zurück (2010: 782.000). In Ostdeutschland lag die Stille Reserve 1991 bei 1,07 Millionen. Durch die Umstrukturierungsprozesse nach der Wiedervereinigung wuchs die Stille Reserve in Ostdeutschland zunächst rasant an: Auf 1,65 Millionen 1992 beziehungsweise auf 1,74 Millionen 1993 – der bisherige Höchststand. Nach 1,71 Millionen Personen im Jahr 1994 sank die Stille Reserve relativ stetig auf 366.000 im Jahr 2005. Der Steigerung der Stillen Reserve im Jahr 2008 auf 471.000, folgte die erneute Reduzierung auf 427.000 im Jahr 2009 beziehungsweise 387.000 im Jahr 2010. Deutschlandweit ging der Rückgang der Arbeitslosenzahl von 4,86 auf 3,24 Millionen in den Jahren 2005 bis 2010 mit einem Rückgang der Stillen Reserve von 1,54 auf 1,17 Millionen einher. Die Verringerung der Arbeitslosigkeit in diesem Zeitraum ist also nicht das Ergebnis einer massenhaften Verdrängung in die Stille Reserve – auch wenn sich die Stille Reserve in Maßnahmen in dieser Zeit von 616.000 auf 870.000 erhöhte. Die Stille Reserve in Maßnahmen umfasst nur Personen, deren Maßnahme nicht Erwerbstätigkeit bedeutet – also Personen in Maßnahmen im Bereich Aktivierung und berufliche Eingliederung (2010 ausschließlich Probebeschäftigung und Arbeitshilfe für behinderte Menschen nach § 46 SGB III), Qualifizierung, vorruhestands(ähnliche) Regelungen sowie Personen, die (kurzfristig) arbeitsunfähig sind. Wird von der Stillen Reserve die Stille Reserve in Maßnahmen abgezogen, ergibt sich die Stille Reserve im engeren Sinne (i.e.S.). An dem oben beschriebenen Anstieg der Stillen Reserve in Ostdeutschland in den Jahren nach der Wiedervereinigung hatte die Stille Reserve in Maßnahmen den größten Anteil. Von den 1,65 Millionen Personen der Stillen Reserve im Jahr 1992 waren 1,39 Millionen beziehungsweise 84,3 Prozent in Maßnahmen. Dieser Wert fiel allerdings bis 1998 auf 29,1 Prozent. Seit 2002 liegt der Wert durchgehend bei mehr als 50 Prozent (2010: 65,0 Prozent). Auch in Westdeutschland sank der Anteil der Stillen Reserve in Maßnahmen an der Stillen Reserve insgesamt zwischen 1992 und 1998 – allerdings auf niedrigerem Niveau (von 45,1 auf 22,7 Prozent). In den Folgejahren setzte eine wellenförmige Steigerung des Anteils ein – 2010 waren 79,1 Prozent der Stillen Reserve in Maßnahmen. Der Anteil der Ostdeutschen an der Stillen Reserve insgesamt hat sich zwischen 1992 und 2005 von 61,3 auf 23,8 Prozent reduziert, in den Folgejahren erhöhte sich der Anteil allerdings wieder (2010: 33,1 Prozent). Für die Jahre 2011/2012 liegen Schätzungen zur Stillen Reserve vor (2011: 1,469 Mio. / 2012: 1,403 Mio.). Aufgrund von Datenrevisionen sind diese aber bisher nur eingeschränkt mit den Daten der vorangehenden Jahre vergleichbar.

Arbeitsmarktzahlen richtig interpretieren - Die Crux mit der Altersarbeitslosigkeit
Die Zahl der älteren Arbeitslosen steigt, doch das heißt noch lange nicht, dass Ältere schlechtere Arbeitsmarktchancen haben, denn es gibt einfach mehr Ältere - auch mehr arbeitende. Beim Interpretieren der Arbeitsmarktstatistik ist Vorsicht geboten.

Ältere arbeiten mehr - nicht weniger
Auf kaum einem anderen Feld gehen die Interpretationen so auseinander wie bei der Arbeitsmarktsituation von älteren Menschen. Im Juni 2013 machten aktuelle Daten der Bundesagentur für Arbeit die Runde, wonach die Zahl der arbeitslosen Menschen die älter als 55 Jahre sind im Durchschnitt des Jahres 2012 auf knapp 545.000 gestiegen ist. Das waren „gut 27 Prozent“ mehr als noch 2008. Im selben Zeitraum sank die Arbeitslosigkeit insgesamt jedoch um 11 Prozent. Also schlussfolgerte eine Regionalzeitung: „Ältere Arbeitslose haben kaum noch Job-Chancen“. Ein klassischer Fehlschluss, sagt Axel Börsch-Supan, Direktor des Max-Planck-Instituts für Sozialrecht und Sozialpolitik in München und einer führenden Altersforscher der Republik. Es werde häufig derselbe Fehler bei der Auslegung absoluter Zahlen gemacht, warnt der Wissenschaftler: „Es fehlt die Bezugsgröße.“ Im aktuellen Beispiel weist Börsch-Supan darauf hin, dass im selben Zeitraum dieBeschäftigung von der Über-55-Jährigen um 36 Prozent gestiegen ist. „Das heißt, die Älteren haben heute bessere, nicht schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt als 2008.“

Die Babyboomer werden alt
Ein häufiger Denkfehler in diesem Zusammenhang ist, anzunehmen, dass die Bilanzen von Erwerbstätigen und Arbeitslosen ein Nullsummenspiel sind. Das heißt, stiege die Zahl der arbeitenden Älteren, müsste die Arbeitslosigkeit zurückgehen und umgekehrt. Das stimmt jedoch nicht. Denn es gibt auch eine Stille Reserve. Das sind Personen, die unter bestimmten Umständen arbeiten würden, sich jedoch gerade aus welchen Gründen auch immer vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben. Diese Stille Reserve ist in den vergangen Jahren aufgrund der guten Arbeitsmarktentwicklung insgesamt deutlich geschrumpft. Zwar gibt es keine gesicherten Daten für Ältere, aber Arbeitsmarktforscher gehen auch in dieser Gruppe von einem deutlichen Rückgang aus.

50 Prozent sind nicht die Hälfte - Was Arbeitslosenquoten aussagen
Denn die Zahl der sozialversichert Beschäftigten zwischen 55 und 65 Jahren ist zwischen 2008 und 2012 um rund eine Million auf 4,4 Millionen gestiegen. Die Arbeitsagentur liefert dafür zwei Erklärungsansätze. Zum einen die demographischen Veränderungen, das heißt, die starke Babyboomergeneration wächst in diese Bevölkerungsgruppe hinein. Derselbe Effekt tritt übrigens auch bei den Arbeitslosen auf - es gibt einfach mehr Ältere. Deshalb ist wichtig, wie groß der Anteil älterer Arbeitsloser an der entsprechenden Gesamtbevölkerung in dieser Altersgruppe ist. Der Blick zeigt, dass die Quote zwischen 2008 und 2012 um 5 Punkte auf rund 52 Prozent gestiegen ist. Zuletzt hat sie sich sogar günstiger entwickelt als der Durchschnitt für alle Altersklassen. Schließlich fällt in diese Zeitspanne auch das Auslaufen der staatlich geförderten Frühverrentung. Während 2008 noch rund 600.000 Personen aufgrund dieser Arbeitsmarktpolitik in der Statistik nicht auftauchten, waren es zuletzt rund eine halbe Million weniger. Einen strukturellen Nachteil am Arbeitsmarkt haben die Älteren allerdings trotz aller gestiegenen Beschäftigungschancen: Werden sie erst einmal arbeitslos, haben sie es deutlich schwerer als die Jüngeren, wieder eine neue Stelle zu finden. Deshalb könnte die derzeitige Stagnation am Arbeitsmarkt die Entwicklung bei den Älteren auch stärker abbremsen. Eine Trendwende sehe man jedoch nicht, sagte eine Sprecherin.

Gesund arbeiten - flexibel in Rente - Der Mythos von der Arbeitsmarktstatistik

Die Erwerbssituation älterer Arbeitnehmer
Führt die Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 zu mehr Altersarmut oder zu mehr Erwerbstätigkeit der Generation 55+? Die Meinungen gehen auseinander. Die Optimisten stellen freudig fest, dass immer mehr Ältere immer länger arbeiten. Die Pessimisten weisen derweil auf die immer noch hohe Zahl derer hin, die nicht in den Arbeitsmarkt integriert sind.

Nur jeder Zweite der 60-64-Jährigen ist erwerbstätig
Die Optimisten haben recht: Die Erwerbsquote Älterer ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Laut Statistischem Bundesamt haben die Erwerbsquoten für die 55- bis 59-Jährigen im Zehnjahresvergleich um 8,8% zugenommen; für die Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen sogar um 23,7%. Das liegt unter anderem daran, dass der Gesetzgeber Möglichkeiten zur Nutzung von Vorruhestandsregelungen deutlich eingeschränkt hat. Aber auch die bessere berufliche Qualifikationen und in der Folge ihre höhere Erwerbsbeteiligung hat zu dieser Entwicklung beigetragen. Dennoch, auch die Pessimisten haben Recht. In Deutschland stehen mit 49,6%, weniger als die Hälfte der 60- bis 64-Jährigen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Mit steigendem Alter sinkt die Erwerbsquote. In der Altersgruppe der 50-54-Jährigen liegt die Erwerbsquote noch bei 86,5% und bei den 55-59-Jährigen bei 79,1%.- In allen Altersklassen liegen die Frauenerwerbsquoten niedriger als die der Männer. Bei den 60- bis 64-Jährigen liegt sie unter 41 Prozent. Mit Blick auf die Rente mit 67 sind diese Zahlen dramatisch. Denn viele Arbeitnehmer haben zumindest nach heutigem Stand keine Möglichkeit, bis 67 zu arbeiten. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Darüber hinaus scheint es Arbeitnehmern in vielen Fällen nicht zu gelingen, ihre Arbeitsfähigkeit bis 65 zu erhalten.

Ältere bleiben länger arbeitslos
Nicht jeder, der im Erwerbsleben steht, hat tatsächlich auch Arbeit. Darüber gibt die Erwerbstätigenquote Auskunft. Aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass sich die Erwerbstätigkeit der 60- bis 64-Jährigen in den letzten 10 Jahren auf 46,4% verdoppelt hat. Im Jahr 2012 waren 54,5 Prozent der Männer zwischen 60 und 65 Jahren und 38,6 Prozent der Frauen (in derselben Altersgruppe) erwerbstätig. Die Arbeitslosigkeit Älterer scheint nur noch geringfügig höher zu sein als die anderer Altersgruppen. Die Arbeitslosenquote der 55- bis 65-Jährigen betrug im September 2013 laut Bundesagentur für Arbeit 7,7%. Insgesamt gesehen waren 6,6% der Erwerbspersonen arbeitslos. Auf den ersten Blick keine signifikante Differenz. Doch darf man nicht vergessen, dass viele Ältere dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Dazu gehören auch die über 58-Jährigen, die nach langer Arbeitslosigkeit gar nicht mehr zu den Erwerbspersonen dazugerechnet werden. Im Klartext: Weil ihre Vermittlung nicht gelingt, erklärt sie die Statistik kurzerhand für erwerbsunfähig. Mit steigendem Alter nimmt die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit zu. Wer über 50 ist, hat ein signifikant höheres Risiko, länger arbeitslos zu bleiben. Das belegen auch die Zahlen. Knapp 47 Prozent der 55- bis 64-jährigen Arbeitslosen sind bereits seit 12 Monaten oder länger arbeitslos und nur wenige der älteren Arbeitslosen schaffen es, innerhalb eines halben Jahres eine neue Beschäftigung zu finden. Es dauert durchschnittlich 56,1 Wochen bis Ältere ihre Arbeitslosigkeit beenden (im Vergleich zu 36,6 Wochen bei allen Arbeitslosen).

Nur jeder Dritte der 60- 64-Jährigen ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt
Viele der als erwerbstätig geltenden älteren Beschäftigten üben lediglich einen Mini-Job aus. So tauchen beispielsweise viele Rentner in der Statistik als Erwerbstätige auf, weil sie sich etwas zu ihrer Rente hinzuverdienen. Dadurch wird jedoch verschleiert, dass nur 29,9 Prozent der 60- bis 64-Jährigen in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind4. In der Diskussion um ein starres Renteneintrittsalter ist aber gerade das ein entscheidendes Kriterium. Schließlich wird von Arbeitnehmern erwartet, bis zum 67. Lebensjahr Beiträge in die staatlichen Rentenkassen einzuzahlen und so Anwartschaften zu erwerben, die die finanzielle Basis für den Altersruhestand bilden sollen. Mit einem Mini-Job wäre das nicht möglich. Mehr als ein Drittel (35,9 Prozent) der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Altersgruppe der 60- 65-Jährigen befand sich 2008 zudem noch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit. Damit zählten sie zwar als berufstätig, tatsächlich gingen sie jedoch nicht mehr arbeiten. Lässt man die Personen aus der Statistik raus, die aufgrund der Altersteilzeit zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gezählt werden, waren im Jahr 2008 ca. 80.000 Personen im Alter von 63 und 62.000 Personen im Alter von 64 in sozialversicherungs-pflichtiger Arbeit. (Quelle: Vierter Monitoring-Bericht des Netzwerks für eine gerechte Rente).

Höher qualifizierte Ältere haben bessere Chancen
Erwerbstätigkeit im höheren Alter hängt in hohem Maße von der Qualifikation der Beschäftigten ab. Je niedriger der Qualifikationsgrad, desto geringer ist die Erwerbsbeteiligung im Alter. Nur knapp ein Drittel der Personen mit niedrigem Bildungsstand sind zwischen 60 und 64 Jahren erwerbstätig. Personen dieser Altersgruppe, die einen Hochschulabschluss haben, sind mit 54,3 Prozent deutlich häufiger beschäftigt. Zudem verstärken sich die Faktoren Geschlecht, Alter und Qualifikationsmerkmale gegenseitig in ihren Wirkungen: Formal gering qualifizierte ältere Frauen weisen die niedrigste Erwerbsquote auf.

Weiterbildungsquote Älterer unzureichend
Die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung fällt bei Männer mit 22 Prozent und Frauen mit 18 Prozent in der Altersgruppe von 55 bis 64 Jahre geringer aus als im Gesamtdurchschnitt (26%)4. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit deutlich hinter den skandinavischen Ländern, aber auch hinter vielen west- und osteuropäischen Nachbarn, wie  Tschechien, Slowenien, Niederlande oder Frankreich zurück. Dabei ist gerade Weiterbildung ein effektives Mittel, die Beschäftigungsfähigkeit Älterer zu erhalten und zu stärken.

Statistiken und Zahlenwerke geben die Situation Älterer am Arbeitsmarkt nur unzureichend wieder
Wer die Arbeitslosenquote der über 50-Jährigen liest, kann bei oberflächlicher Betrachtung zu dem Schluss kommen, dass die Chancen Älterer auf dem Arbeitsmarkt so schlecht gar nicht sind. Alarmierend ist allerdings die hohe Zahl der über 60-Jährigen, die dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen. Qualifizierung und Weiterbildung scheinen wichtige Faktoren zu sein, um Teilhabe am Arbeitsmarkt auch jenseits der 55 zu ermöglichen. 

Handlungsvorschlag
Erwerbsquote und Erwerbstätigenquote älterer Arbeitnehmer  sind zu niedrig und müssen gesteigert werden. Anstatt Langzeitarbeitslose aus der Statistik herauszurechnen müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, das allgemeine Bildungs- und Qualifizierungsniveau anzuheben und die Weiterbildungsquote von Arbeitnehmern zu erhöhen.  

Ältere Arbeitnehmer sind Gold wert
Im Februar 2016 beantwortet Prof. Dr. med. Joachim E. Fischer, Direktor des Mannheimer Instituts für Public Health der Universität Heidelberg vier Fragen der Redaktion bildungsklick zur Arbeitsmarkt- und Arbeitsplatzsituation älterer Arbeitnehmer. Stress am Arbeitsplatz wird im 21. Jahrhundert nicht abnehmen und erfordert immer mehr das Ausbalancieren von Arbeit und anderen Lebensbereichen. Prof. Dr. Fischer forscht auf dem Gebiet der Gesundheit von Beschäftigten und es zeigt sich, dass gute Arbeitsbedingungen nicht nur die Produktivität steigern, sondern auch die Gesundheit stärken – bei Jung und Alt.

Wertschätzung älterer Arbeitnehmer in Deutschland
Herr Dr. Fischer vertritt die Auffassung, das es Unternehmen gebe, die sich aktiv darum bemühten, die Arbeitsfähigkeit der älteren Beschäftigten zu erhalten. Unternehmensbefragungen belegten, dass ältere Mitarbeiter immer mehr geachtet werden. Er erkenne, dass ein Bewusstsein dafür entsteht, bereits vorhandene Mitarbeiter arbeits- und leistungsfähig zu erhalten. Dieser gewisse Wandel in der Wertschätzung älterer Arbeitskräfte entsteht auch dadurch, das die Unternehmen merken, das es nicht so einfach ist an junge Fachkräfte zu kommen.

Wert älterer Arbeitnehmer
Es ist eine Tatsache, dass ältere Arbeitnehmer aufgrund biologischer Gesetzmäßigkeiten und körperlicher Verschleißerscheinungen nicht mehr die Kraft haben wie junge Arbeitnehmer.  Jedoch gibt Herr Dr. Fischer zu bedenken,  dass in der modernen Wissensgesellschaft für die Arbeit nicht mehr viel Kraft notwendig ist. Die Arbeit hat sich dahin gewandelt, dass viele der Arbeitsbedingungen, die vor 10, 15 Jahren noch als ungeeignet für ältere Beschäftigte galten, nun anders eingeschätzt werden. Ein einfaches Beispiel ist die Sehstärke: Warum nicht einfach größere Bildschirme zur Verfügung stellen? Wissenschaftlich Erhebungen haben gezeigt, dass älteren Menschen zunehmend wichtiger wird, ob sie sinnvolle Arbeit leisten und diese zu einem erfüllten Leben beiträgt. Diese Grundeinstellung führt zu erheblich weniger psychischen Problemen und einer höheren Produktivität. Herr Dr. Fischer ist der Meinung, das eine Förderung älterer Arbeitnehmer dahingehend, ihre Kompetenz zu erhalten, dazu führen könne, die Urteilskraft, in Verbindung mit der enormen Erfahrung des Einzelnen, stark zu verbessern.

Wertschätzung der Arbeitnehmer im Arbeitsumfeld
Herr Dr. Fischer vertritt die Ansicht, das es gibt kein einfaches Patentrezept für ein perfektes Arbeitsumfeld gibt, in dem sich alle Arbeitnehmer wohlfühlen. Nach dem Arbeitswissenschaftlers Juhani Ilmarinen muss sich die Unternehmensführung einige Fragen überlegen, um eine wertschätzende Haltung den Mitarbeitern gegenüber einzunehmen: Was kann ich dafür tun, dass sie psychisch und körperlich gesund sind? Was kann ich dafür tun, dass sie ihre Kompetenz und Motivation behalten? Was für eine Arbeitsumgebung kann ich schaffen? Wenn man sich diese Fragen beantwortet, kann es gelingen, dass man eine Arbeitsumgebung schafft, in der sich jeder wohlfühlen kann. Das geht sogar in produzierenden Betrieben: BMW und sicherlich auch andere Automobilhersteller kümmern sich zum Beispiel um die Bauweise der Bänder, an denen auch 55-Jährige tätig sein können.

Die Arbeitsumgebung - räumliche Gestaltung und die Gefühlswelt der Arbeitnehmer
Nach Meinung von Herrn Dr. Fischer muss die Gestaltung eines Raumes oder eines Arbeitsplatzes auch das Wohlfühlen der Menschen darin einbeziehen.Wenn eine Struktur geschaffen wird, die Menschen anspricht, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Wohlbefinden und damit auch produktiv förderliche Arbeitsplätze entstehen. Dinge wie Anwesenheitskultur, Führungsselbstverständnis, Werte und Raumgestaltung sind wichtig. Wenn Mitarbeiter bei diesen Fragestellungen mit eingebunden werden, sieht man, dass es ihnen besser geht – sogar biologisch messbar. Man darf die Rückwirkung einer guten Gestaltung der Räumlichkeiten nicht unterschätzen. Forschung zur Gebäudegestaltung zeigt, dass in der gesamtbetriebswirtschaftlichen Betrachtung nur fünf bis sechs Prozent der Ausgaben eines Unternehmens für das Einrichten von Büroräumen verwendet werden. Controller sparen an der falschen Stelle und merken nicht, dass es eben die Produktivität der Beschäftigten eher behindert als unterstützt. Man muss sich überlegen, was gut für die Mitarbeiter ist.

Arbeitsmarkt zeigt nahezu Vollbeschäftigung - aber immer mehr ältere Menschen müssen Hartz IV beziehen
Die Bundesagentur für Arbeit kann für Erwerbslose jenseits der 55 Jahre kaum etwas auf dem Jobmarkt tun.Die Arbeitslosigkeit in Deutschland sinkt und sinkt, es herrscht im Dez. 2015 nahezu Vollbeschäftigung. Doch viele Menschen haben nichts davon: Immer mehr ältere Arbeitslose müssen Hartz IV beantragen. Das geht aus einer Antwort der Bundesagentur für Arbeit auf eine entsprechende Anfrage der stellvertretenden Linken-Fraktionsvize Sabine Zimmermann hervor. Die Zahl der über 55-Jährigen, die auf Hartz IV angewiesen sind, stieg laut Angaben der Bundesagentur von rund 257.000 im Jahresdurchschnitt 2010 kontinuierlich um 24 Prozent auf 318.000 im vergangenen Jahr. Im laufenden Jahr setzte sich die Entwicklung fort: Im November 2015 stieg die Zahl der älteren arbeitslosen Hartz-IV-Bezieher auf 321.000. Nicht in den Zahlen enthalten sind rund 163.000 Hartz-IV-Bezieher über 58 Jahre, denen ein Jahr lang keine Arbeit angeboten wurde. Diese werden nicht mehr als arbeitslos gezählt. Insgesamt aber ging die Zahl der Erwerbslosen im Hartz-IV-Bereich seit 2010 um gut neun Prozent auf rund zwei Millionen im vergangenen Jahr zurück.

Verlierer auf Arbeitsmarkt
Zimmermann sagte, ältere Erwerbslose und ältere Arbeitnehmer seien nach wie vor die großen Verlierer am Arbeitsmarkt. "Selbst in Zeiten des konjunkturellen Aufschwungs haben sich die Chancen für ältere Langzeit-Erwerbslose nicht verbessert, sondern weiter verschlechtert", sagte die arbeitsmarktpolitische Fraktionssprecherin. Bei den Arbeitgebern habe kein Umdenken stattgefunden, auch Älteren verstärkt eine Chance zu geben.

Altersarmut vorprogrammiert
Damit sei eine deutliche Zunahme von Altersarmut vorprogrammiert: "Immer mehr der Älteren im Hartz-IV-Bezug konnten nämlich keine Rentenansprüche erwerben, die über dem Hartz-IV-Niveau liegen", erläuterte Zimmermann. Im Rentenalter seien die Betroffenen dann auf Grundsicherung angewiesen. Zimmermann forderte, für ältere Erwerbslose mehr zu tun. Wer als Hartz-IV-Bezieher über 58 Jahren ein Jahr ohne jedes Jobangebot bleibe, dürfe nicht mehr aus der Arbeitslosenstatistik gestrichen werden. Schluss sein müsse auch mit der Zwangsverrentung von Hartz-IV-Beziehern. Denn heute werden Hartz-IV-Beziehende ab 63 verpflichtet, einen Rentenantrag zu stellen. Der Bundesregierung warf Zimmermann vor, die Beschäftigungssituation von Älteren schönzureden.

Jobverlust bei Älteren: Kaum Chancen auf Wiedereinstieg
Eine DGB-Studie konstatiert "mangelnde Chancen auf Wiedereingliederung", wenn der Job im Alter erst einmal weg ist.

Buntenbach: Mehr tun, um Arbeitslosigkeit Älterer von vornherein zu verhindern
"Es ist paradox: Die Beschäftigungssituation Älterer ist zwar besser geworden, aber ältere Arbeitslose profitieren nicht davon", erklärt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. "Im Schnitt verlängert sich die Dauer ihrer Arbeitslosigkeit sogar." Dabei verfügten 55 Prozent der älteren Langzeitarbeitslosen über eine Berufsausbildung, 12 Prozent über eine akademische Ausbildung, wie eine DGB-Untersuchung zeigt (arbeitsmarkt aktuell 10/2015). "Es muss also weitaus mehr getan werden, damit ältere Arbeitnehmer erst gar nicht arbeitslos werden", so Buntenbach. Denn die DGB-Untersuchung zeigt: Die so genannten rentennahen Jahrgänge sind weiterhin "vollkommen unzureichend" in sozialversicherungspflichter Beschäftigung. Der Übergang zwischen Erwerbsaustritt und Renteneintritt bedeutet für viele immer noch längerfristige Arbeitslosigkeit und damit drohende Altersarmut. Ein weiteres Problem: Die Arbeitsmarktchancen der Älteren sind, je nach Qualifikation, immer ungleicher verteilt. Während sich die Beschäftigungssituation besser Qualifizierter sich immer positiver entwickelt hat, hat sie bei Älteren ohne Berufsausbilung stagniert oder hat sich sogar verschlechtert. Die DGB-Studie spricht von einer zunehmenden "Polarisierung entlang des Qualifikationsniveaus" bei der Gruppe Älterer Beschäftigter und Arbeitsloser.

Weiterbildung ist ein Schlüssel - Kündigungsschutz nicht antasten
"Wir brauchen mehr betriebliche Weiterbildung auch für Ältere", fordert Buntenbach. Diese könne sogar durch die Arbeitsagenturen unterstützt werden.  "Die Arbeitsbedingungen müssen altersgerecht weiterentwickelt werden und wir brauchen mehr betriebliche Gesundheitsförderung. Vor allem darf in dieser Situation der Kündigungsschutz nicht infrage gestellt werden. Diese Diskussion verbietet sich."

Buntenbach: Mittel der Arbeitsagenturen und Jobcenter deutlich erhöhen
"Darüber hinaus muss mehr getan werden, wenn die Menschen bereits arbeitslos sind. Die finanziellen Mittel der Arbeitsagenturen und Jobcenter müssen wieder deutlich erhöht werden", so Buntenbach weiter. "Außerdem müssen ältere Arbeitslose Förderangebote bekommen, die ihnen wirklich etwas bringen – im Zweifelsfall also nicht das dritte Bewerbungstraining, sondern eine, auf die Situation des Arbeitslosen zugeschnittene längerfristige Förderung. Notfalls müssen auch öffentlich geförderte Arbeitsplätze angeboten werden."

Armutsbericht  -"Die zerklüftete Republik" -  Größtes Armutsrisiko: Erwerbslose, Alleinerziehende und Rentner
Im Februar 2015 weist ein Bericht des Wohlfahrtsverbandes (auf Basis 2013) aus, dass 12,5 Millionen Menschen in Deutschland arm sind.  Die Armut in Deutschland ist dem Paritätischen Wohlfahrtsverband zufolge sprunghaft angestiegen. Seit der Wiedervereinigung geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. „Die zerklüftete Republik" - so hat der Paritätische Wohlfahrtsverband seinen aktuellen Armutsbericht betitelt. Gemeint ist die Kluft zwischen armen und reichen Regionen und zwischen Einkommensgruppen in Deutschland, die immer tiefer wird. "Noch nie war die Armut so hoch, und noch nie war die regionale Zerrissenheit so tief wie heute", sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider bei der Vorstellung des Berichts in Berlin. Innerhalb nur eines Jahres ist die Armut insgesamt von 15 auf 15,5 Prozent gestiegen, heißt es in dem Bericht, der sich auf das Jahr 2013 bezieht. Insgesamt gelten 12,5 Millionen Menschen in Deutschland als arm - und das Land zerfällt in wohlhabende und mittellose Regionen. Am stärksten betroffen sind die Bundesländer Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin mit Armutsquoten von mehr als 20 Prozent. Auf der anderen Seite der Einkommensskala stehen Bayern und Baden-Württemberg, mit Quoten von gut elf Prozent. Nur in zwei Bundesländern ist die Armut demnach gegen den Trend gefallen: In Sachsen-Anhalt von 21,1 auf 20,9 Prozent und in Brandenburg von 18,1 auf 17,7 Prozent.

Armut in Zahlen - Vierköpfige Familie ist mit 1873 Euro arm
Der Paritätische Wohlfahrtsverband bezieht sich in seiner Berechnung auf "relative Armutsquoten", zu denen Haushalte zählen, denen weniger als 60 Prozent des sogenannten bedarfsgewichteten Einkommens zur Verfügung steht. Damit wird berücksichtigt, dass Kinder weniger Geld brauchen als Erwachsene, und dass es günstiger wird, wenn mehrere Menschen zusammenleben. Deshalb wird das gesamte Nettoeinkommen eines Haushalts durch die gewichtete Zahl der Haushaltsmitglieder geteilt. Der erste Erwachsene hat den Faktor eins, jedes weitere Haushaltsmitglied ab 14 Jahre den Faktor 0,5, Kinder unter 14 Jahren bekommen den Faktor 0,3. In konkreten Zahlen lag die so errechnete Armutsgefährdungsschwelle 2013 für einen Singlehaushalt bei 892 Euro, für eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 1873 Euro. Diese Quote, heißt es auch im aktuellen Armutsbericht, zeigt allerdings vor allem Einkommensspreizungen innerhalb einer Gesellschaft an. Ob von Armut gesprochen werden sollte, hängt aber auch vom Preisniveau einer Region ab. Beispielhaft listet der Armutsbericht auf, dass die vierköpfige Familie in einer teuren Gegend wie Wiesbaden bereits mehr als 200 Euro unter der Hartz-IV-Schwelle liegt.

Größtes Armutsrisiko: Erwerbslose, Alleinerziehende und Rentner
Das größte Armutsrisiko tragen dem Bericht zufolge Erwerbslose, von denen mehr als 40 Prozent arm sind, aber auch Alleinerziehende und Menschen ohne Bildungsabschluss. Hauptgeschäftsführer Schneider wies darauf hin, dass auch bei Rentnern die Altersarmut deutlich zunehme. Zwar liegt sie mit 15,2 Prozent noch unter dem Durchschnitt, aber "diese Gruppe zeigt seit 2006 den rasantesten Anstieg an Armut", sagt Schneider. Seit 2006 ist sie viermal so stark gewachsen wie in der Gesamtbevölkerung. Auch die Kinderarmut steigt weiter, auf jetzt 19,2 Prozent. Der Bericht kritisiert, dass die Armen in Deutschland nicht mehr von der positiven Wirtschaftsentwicklung profitieren. So ist die Wirtschaft seit 2009 stetig gewachsen, die Armutsquote aber auch: "Der zunehmende Reichtum geht mit einer immer größeren Ungleichverteilung einher", heißt es in dem Bericht. Die Entwicklung sei deshalb alarmierend, weil gleichzeitig die Arbeitslosenquote deutlich gesunken sei. Der Paritätische Gesamtverband sieht die Verantwortung dafür in der Politik: "Es ist ein erster statistischer Fingerzeig darauf, dass Armut und Ungleichheit in Deutschland politisch mindestens mit verursacht sind."

Demografischer Wandel in Belegschaften - Zahlen und Prognosen - Ausblick auf die kommenden Jahre
Die Daten zur Altersstruktur von Belegschaften im Jahre 2000 und zur künftigen Altersstruktur (2010 und 2020) zeigen: Die Anzahl der 50- bis 65-jährigen Beschäftigten wird von 9,4 Millionen im Jahr 2000 auf 10,9 Millionen im Jahr 2010 und weiter auf 13,2 Millionen im Jahr 2020 ansteigen. Jeder dritte Beschäftigte im Jahr 2020 wird dann im Alter zwischen 50 bis 65 sein. Deutlich abnehmen werden dagegen die Jahrgänge der 30- bis 49-jährigen Beschäftigten - von 22,5 Millionen im Jahr 2000 auf 21,5 Millionen bis zum Jahr 2010 und weiter auf 18,4 Millionen im Jahr 2020. Die jüngeren Jahrgänge der 15- bis 29-jährigen Beschäftigten stagnieren bis zum Jahr 2010 in einer Größenordnung von 8,6 bis 8,7 Millionen und nehmen bis zum Jahr 2020 auf 7,6 Millionen ab. Dies heißt, dass nur jeder fünfte Beschäftigte dann unter 30 Jahre alt sein wird. (Quelle: Fuchs, 2004)

Deutschland im internationalen Vergleich
Der Trend alternder Belegschaften ist kein deutsches Phänomen, sondern ist in ganz Europa festzustellen. Unterschiede gibt es allerdings in den Beschäftigtenquoten der 55- bis 64-Jährigen: In Deutschland sind aktuell circa 42 Prozent der 55- bis 64-Jährigen noch erwerbstätig. Höhere Beschäftigungsanteile dieser Altersgruppe gibt es in Schweden (69,1 Prozent), Dänemark (60,3 Prozent), Großbritannien (56,2 Prozent), Niederlande (45,2 Prozent). Niedrigere Beschäftigungsanteile der betreffenden Altersgruppe finden sich in Frankreich (37,3 Prozent), Italien (30,5 Prozent) und Polen (26,2 Prozent). (Quelle: Eurostat, 2005)Die Europäische Union hat ihre Mitglieder verpflichtet, bis 2010 mindestens jeden zweiten 55- bis 64-Jährigen in das Erwerbsleben einzugliedern. Die Bundesregierung hat dieser Zielmarke zugestimmt. Angesichts des erhöhten Renteneintrittsalters von 67 Jahren erhält dieses Ziel weiteres Gewicht. Der internationale Vergleich zeigt, dass Deutschland hinsichtlich besserer Arbeitsmarkt- und Arbeitschancen für ältere Arbeitnehmer erheblichen Nachholbedarf hat und dass Betriebe und Politik Chancen und Anreize zur Beschäftigung Älterer deutlicher wahrnehmen sollten.

Prognose Arbeitsmärkte Deutschland und Europa 2050 - Wirtschaft Studie Nov. 2014 - Ohne Ältere kollabiert der Arbeitsmarkt im Jahr 2050
Der Eurozone droht die dauerhafte Stagnation, sollte es nicht gelingen, mehr ältere Arbeitnehmer im Job zu halten, warnen Londoner Forscher. 17 Prozent der Arbeitskräfte würden langfristig fehlen. Die Studienautoren warnen vor dramatischen Folgen für den Europäischen Arbeitsmarkt, wenn keine Förderprogramme für Ältere aufgelegt werden. In den Altersgruppen über 55 Jahren schlummert laut dem Londoner Think Tank ein enormes wirtschaftliches Kapital.

Jahrzehntelange wirtschaftliche Stagnation: Das droht der Eurozone, sollten die Regierungen nicht umgehend Maßnahmen ergreifen, um die Schrumpfung der arbeitenden Bevölkerung zu verhindern.
Aufgrund der demografischen Entwicklung werden die Mitgliedsländer der Währungsgemeinschaft innerhalb der kommenden 35 Jahre rund 17 Prozent ihrer Arbeitskräfte verlieren, warnt eine neue Studie des International Longevity Centre (ILC) in London. Sollte es nicht gelingen, die Zahl der älteren Arbeitnehmer deutlich zu steigern, wird das Wirtschaftswachstum in der Eurozone bis 2050 im Schnitt nur noch ein Prozent pro Jahr betragen, prognostizieren die Wissenschaftler. Spanien, Deutschland, Portugal und Griechenland werden dabei besonders vom Arbeitskräftemangel betroffen sein.

Ohne Ältere droht dramatischer Wandel auf dem Arbeitsmarkt
Es sind dramatische Zahlen, die das ILC in seiner neuen Studie "Auferstanden aus Ruinen – Die Rolle der älteren Arbeitnehmer für den europäischen Aufschwung" präsentiert. Demzufolge wird die Zahl der Beschäftigten in der Eurozone von heute rund 140 Millionen auf 117 Millionen im Jahr 2050 zurückgehen.

In der Eurozone nimmt die Beschäftigungsquote in den Altersgruppen über 50 Jahren dramatisch ab
Einige Länder werden stärker unter dem demografischen Wandel leiden als andere: "In Spanien werden 33 Prozent weniger Leute arbeiten als heute", sagt Ben Franklin, einer der Autoren der Studie. Auch Deutschlands Arbeitsbevölkerung altert rapide. "Wenn das Land keine Fortschritte macht und es nicht gelingt, ältere Arbeitnehmer im Job zu halten, wird Deutschland im Jahr 2050 rund 28 Prozent weniger Arbeitskräfte haben als heute", sagt Franklin. Es sei wichtig, dass die Regierungen der Eurozone umgehend Maßnahmen ergreifen. Die Folgen der demografischen Entwicklung werden Franklin zufolge bereits in zehn Jahren deutlich zu spüren sein.In zehn Jahren rechnet man mit neun Prozent weniger deutschen Arbeitskräften.

Arbeitsmarkt - In diesem Alter gehen die Europäer in Rente
"Die Zahl der Arbeitskräfte in Spanien wird um über zehn Prozent sinken", sagt Franklin, "in Deutschland wird sie um etwa neun Prozent zurück gehen." Das bleibe nicht ohne Folgen für die Wirtschaftsleistung in der Eurozone. Sie legt den Forschern zufolge in den kommenden Jahren nur noch marginal zu, um ein Prozent pro Jahr, sollten keine weitreichenden Reformen am Arbeitsmarkt durchgeführt werden. Die Heraufsetzung des Rentenalters allein sei dabei keine Lösung, argumentiert Franklin. "Die negative Haltung gegenüber älteren Arbeitskräften ist nach wie vor ein riesiges Hindernis für ihre Beteiligung am Arbeitsmarkt", sagt er. "Viele Euro-Länder werden weiter vor sich hin stottern, wenn hier nicht grundlegende Reformen angegangen werden", so Franklin.

Großbritannien hinkt bei der Produktivität hinterher
Das in der Studie nicht berücksichtigte Vereinigte Königreich dagegen sei nicht so sehr von der demografischen Entwicklung bedroht. Die arbeitsfähige Bevölkerung in Großbritannien soll den Prognosen zufolge in den kommenden 40 Jahren wachsen. Dennoch müsse Großbritannien mehr investieren, um die Arbeitsfähigkeit der Über-50-Jährigen zu sichern: "Andernfalls wird es viele Leute geben, die aus Angst vor Verarmung arbeiten wollen, aber nicht arbeiten können, weil sie zu krank sind oder nicht die Fähigkeiten mitbringen, die von den Firmen gebraucht werden", sagt Franklin. Gleichzeitig muss auch die Produktivität in Großbritannien deutlich steigen. Aktuelle Zahlen des nationalen Statistikamtes zeigen, dass die Produktivität im Vereinigten Königreich pro gearbeitete Stunde im Schnitt um 21 Prozent niedriger ist als in den anderen G-7-Ländern Deutschland, Frankreich, USA, Italien, Japan und Kanada.

Abschlagsfreie Frührente kommt Deutschland teuer zu stehen- Rente mit 63 wird wesentlich teuer als gedacht
Die Regierung von Premier David Cameron erhöht das Renteneintrittsalter schrittweise, es soll zunächst auf 67 Jahre, später auf 70 Jahre angehoben werden. Ganz anders sieht es in Deutschland aus, die Große Koalition führte im Juni 2014 die abschlagsfreie Frührente mit 63 Jahren ein. Diese erfreut sich offensichtlich großer Beliebtheit: Hunderttausend haben bisher einen entsprechenden Antrag eingereicht.  Die hohe Nachfrage macht die Rente mit 63 deutlich teurer als ursprünglich angenommen. 03-2016 Achim Hemgenberg